Düsseldorfer Jugendportal

Sprich über deine Stadt!

640 640 1000 1000 1000

Karneval: "Jugendliche gehen unter"

08.01.2016

Gerade hatte Johann Lensing noch nichts mit Karneval am Hut. Jetzt ist der 15-Jährige bereits ein erfahrener Büttenredner. Doch so schnell kommen Jugendliche selten im organisierten Karneval an. Vieles schreckt sie sogar ab, sagt Johann. Jugendliche werden jetzt aber neu gefördert. Karneval ist für viele Jugendliche der Rosenmontag. Vielleicht noch Altweiber. Aber das war es dann. Freunde treffen, etwas trinken, feiern. Für etwa 400 Jugendliche ist aber das ganze Jahr Karneval, schätzt Ellen Schlepphorst, die Jugendbeauftragte des Comitees Düsseldorfer Carneval (CC). Das CC organisiert den Straßenkarneval in Düsseldorf. Diese Jugendlichen sind Mitglied in etwa 30 der 70 Düsseldorfer Karnevalsvereine. Sie trainieren monatelang Tanz- und Showeinlagen, bereiten Karnevalssitzungen und Büttenreden vor. Im Publikum sind sie weniger zu finden. Karnevalssitzungen schrecken Jugendliche ab Das hat Johann Lensing häufig beobachtet. Der 15-Jährige ist seit sechs Jahren Büttenredner und tritt als Rogi auf. Er versteht, warum keiner seiner Freunde jeck ist, war es selbst nicht, bevor er als Rogi anfing. "Viele Karnevalssitzungen sind verstaubt", erklärt Johann. "Das Programm ist immer das gleiche. Das schreckt Jugendliche ab." Dabei gebe es in Düsseldorf sehr gute Redner. Das weiß Johann aber auch erst, seit er sich mit neun Jahren spontan überlegt hat: Ich will Büttenredner werden. Damals suchte das CC Karnevalsnachwuchs für sein Kinder- und Jugend-Projekt "Pänz en de Bütt". Er wollte unbedingt zum Casting. Zuerst nahmen das seine Eltern nicht ernst. Aber der Wunsch war so groß, dass sein Vater mit ihm eine Rede schrieb und einstudierte. Mit Erfolg. Johann belegte als Rogi den zweiten Platz. Erfahrener Büttenredner mit 15 Jahren Mit seinen 15 Jahren ist Johann nun bereits ein erfahrener Büttenredner. Im Mai fängt er an, seine Reden für die kommende Session zu schreiben. Er sammelt Material und Witze und stimmt alles mit dem neuen Karnevalsmotto und seiner Rolle ab. Für diese Karnevalssession mit dem Motto "Scharf wie Mostert" wird Rogi als Praktikant in eine Senfmühle geschickt. Johanns Lieblingsthema ist die Politik. Er macht gerne kritische Witze – früher über die Schulpolitik, heute über die Lokalpolitik. Aber Johann merkt, dass er da schnell an Grenzen stößt. "Als Kind hatte ich den Niedlichkeitsfaktor", erinnert er sich. Damals fand sein Publikum es süß und lustig, wenn er über die Schule und Politiker maulte. Kritik an Politik für Jugendliche schwierig Jetzt habe er das Publikum schneller gegen sich. "Die Leute fragen sich, was ein 15-Jähriger denen erzählen will", erklärt Johann die Stimmung in den Sälen. Er findet, das Publikum fordere lediglich Unterhaltung. Wenn Kritik geäußert werde, müsse ein großes Augenzwinkern dabei sein oder schnell die Auflösung kommen, dass die Kritik gar nicht ernst gemeint war. Kinder-Büttenredner seien auch viel besser gebucht für die Sitzungen. Ab 13 oder 14 Jahren ließe das nach, sagt Johann, "Jugendliche gehen unter." Auch der organisierte Karneval weiß, dass ihm Mitglieder im jugendlichen Alter fehlen. Jugendliche sollen deswegen gezielt gefördert werden. Karnevalsvereine fördern Jugendliche Das CC gründete neben den "Pänz en de Bütt" nun auch die "Big Pänz". Jugendbeauftragte Schlepphorst begründet: "Bei den 'Pänz en de Bütt' war die Altersspanne zu groß." Jetzt seien sechs bis sieben Jugendliche zu den "Big Pänz" gewechselt. Dort werden sie von erfahrenen Künstlern gefördert, bekommen Workshops und lernen Techniken für den Auftritt und den Aufbau einer Rede. Johann lernt viel von Komiker Lars Hohlfeld, der unter anderem in der Düsseldorfer Komödie auftritt. Nach der Session will sich Schlepphorst anschauen, wie die "Big Pänz" laufen, nach mehr Mitgliedern und mehr Förderung suchen. Auch bei der Prinzengarde Rot-Weiß, einem der ältesten Düsseldorfer Karnevalsvereine, merkt man, dass die Mitglieder zwischen 15 und 30 Jahren weniger werden. Der Verein sieht die Gefahr, dass Jugendliche aus dem Karneval rauswachsen und plant deswegen ein Jugendkorps. Dann sind Jugendliche mit Gleichaltrigen in einer Gruppe und fühlen sich wohler als mit den Kindern gelichgesetzt zu werden. Die Kakaju, die Karnevalsfreunde der katholischen Jugend, haben kein offizielles Förderprogramm. Allerdings wurde das langjährige Mitglied Hildegard Dahmen zum Nachwuchs-Coach und fördert junge Jecken individuell, die Lust darauf haben. Die Kakaju unterstützt die "Pänz en de Bütt", hat eine eigene Tanzgarde für Jugendliche und ist stolz auf die große "Kakaju-Sitzung für Junge und Junggebliebene" (3. Februar, Zelt am Burgplatz, bereits ausverkauft). Das ist eine Party mit Musik und Tanzen, ohne Büttenreden mit vor allem 16- bis 25-Jährigen. Hoffnung für Johann und Rogi Solche Ideen findet Johann wichtig. Er mag den Karneval mit seiner anarchischen Seite: Die Bürger sind wild und ausgelassen, machen sich über die Herrschenden lustig und kritisieren sie. Solange er noch Spaß an diesem Karneval hat und solange Rogi akzeptiert wird, will er weitermachen. "Wenn Rogi zehn bis 15 Mal in einer Session auf der Bühne steht, will das Publikum ihn noch", überlegt sich Johann. Dieses Jahr wurde er für 16 Auftritte gebucht.

von jt

Kommentar verfassen

Bitte fülle alle Felder aus die mit * markiert sind.