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Kinder der Nacht – Im Schauspiel Köln trumpft ein düsteres Kammerspiel groß auf

30.01.2019

Die Schlacht macht mich mutig. Ich suche Dargelos. Ich liebe ihn. Es ist ein unbestimmbares Leiden, eine heftige Qual, gegen die es kein Heilmittel gibt, eine keusche Begierde, geschlechtslos, absichtslos.

Es ist Winter und es schneit. Der Schulhof wird zum Schlachtfeld, ein Schneeball nach dem anderen fliegt quer über das Gelände. Unter den Kriegern ist auch der beliebte Dargelos, in den Paul verliebt ist. Ausgerechnet Dargelos ist es, der Paul mit einem Schneeball genau auf den Brustkorb trifft. Und das so hart, dass Paul zu Boden sinkt und von seinem besten Freund Gérard nach Hause gebracht werden muss. Fortan ist Paul ans Bett gefesselt und das Zimmer in der Wohnung der verstorbenen Mutter, das er sich mit seiner Schwester Elisabeth teilt, wird zum Zentrum des Lebens der beiden Geschwister. Dort gelten eigene Gesetze und Traditionen der Kindheit. Sie leben in ihrem eigenen Kosmos und werden von der Gesellschaft ganz vergessen. Sie streiten und reiben sich aneinander auf, sie lieben und kommen sich immer wieder inzestuös nahe. Und im Mittelpunkt ihres Miteinanders steht "ihr Spiel". Der für lange Zeit einzige, der in ihre Welt eintritt und sie beobachtet, ist Pauls Freund Gérard, der oft zu Besuch kommt und ganz fasziniert ist von der Magie, die die beiden Geschwister umgibt. Als Elisabeth eines Tages Agathe mit nach Hause bringt, die Dargelos überraschend ähnlich sieht, kommt es zu einer Tragödie. Denn nun zieht Eifersucht und Sehnsucht in das Haus der Kinder ein.

Kinder der Nacht heißt das neueste Theaterstück im Schauspiel Köln, das von einer ganz besonderen Geschwisterbeziehung handelt. Dem zugrunde liegt der Roman Les Enfants Terribles von Jean Cocteau aus dem Jahr 1929, aus dem die Autorin Helene Hegemann eine Bühnenfassung geschrieben hat, die von der Regisseurin Melanie Kretschmann für das Schauspiel Köln bearbeitet wurde. Uraufführung des düsteren zweistündigen Theaterabends war am 26. Januar in der Außenspielstätte am Offenbachplatz. Damit ist dem künstlerischen Team und dem insgesamt 15-köpfigen Ensemble ein eindrucksvolles und beeindruckendes Kammerspiel gelungen.

Allein schauspielerisch glänzt dieser Abend wie wild. Lou Zöllkau und Jakob D'Aprile als Elisabeth und Paul brillieren in ihren Rollen und wandern immer wieder zwischen tiefer Zärtlichkeit und skurrilem Wahnsinn. Auf Mittelmaß gehen die beiden gewiss nie, ihr Spiel ist extrem und manchmal zutiefst verstörend. Daneben Birgit Walter als Mutter, die wie bei einem Exorzismus schräg und augenscheinlich unbequem auf dem Bett liegt und Augen und Mund für Minuten lang einfach weit aufgerissen hält. Bis auf einzelne Monologe hört man von ihr wenig, aber wie sie sich auf den Eisenstangen in dem Zimmerkonstrukt umherwindet und wie Schutz- und Racheengel zugleich ganz oben in den Ecken beobachtet, ist grandios. Die Bühne unterstützt diese düstere und skurrile Atmosphäre: Von der Decke hängen vier Lampen, die in kleinen Vogelkäfigen hängen. Der quadratische Boden hat ein Laminat-Muster und überall herum liegen Herbstblätter. An den Seiten stehen zwei Wände, die verschiebbar sind und wenig später das Zimmer darstellen. Auf ihrer Rückseite nämlich steht ein Bett, Matratzen, eine Lampe und vieles mehr, was in so einem Kinder- bzw. Jugendzimmer so zu finden ist. Auch Teenie-Poster an der Wand. Ein Fenster wird durch eine Videoprojektion auf die Wand geworfen. Getreu der Tatsache, dass die Welt der beiden Geschwister eine geschlossene ist. 

Inwieweit die Fassung von Melanie Kretschmann von der Romanvorlage abweicht, lässt sich als Laie nicht sagen. Aber es gibt Szenen, in denen man das offensichtlich merkt, wenn zum Beispiel  Agathe sich nach ihrer Ankunft in dem Haus der Geschwister erst einmal lautstark von Gérard das (viel zu lange) W-LAN-Passwort diktieren lässt. Die historische Zeit verändert sich und das Verhältnis von Fantasie und Realität beginnt sich miteinander zu vermischen. Die Inszenierung wechselt immer wieder zwischen Tragik und Komik und lädt uns ein, Zuschauer in dieser kleinen Welt zu sein. Großer Applaus für das Ensemble und einen Theaterabend, der noch lange in einem nachhallen wird. 

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von Marvin

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