Düsseldorfer Jugendportal

Sprich über deine Stadt!

640 640 1000 1000 1000

Bewohner – Ein Stück vom Leben mit Demenz

07.03.2019

Von den vielen Namen, die meine Patienten in den Pflegeheimen bekommen haben, gefällt mir Bewohner am besten, weil viele von ihnen in ihren langjährigen Krankheiten wie heimisch geworden sind.

"Ein Stück vom Leben mit Demenz" – So heißt es im Untertitel zur Theaterproduktion Bewohner, das am Schauspiel Köln am 16. September 2018 Uraufführung gefeiert hat. Dem Stück liegen Aufzeichnungen von Gerontopsychiater und Autor Christoph Held zugrunde, in denen er die Erfahrungen aus über 30 Jahren Alltag im Pflegeheim zu poetischen Erzählungen verwebt. Der Hausregisseur Moritz Sostmann, der am Schauspiel Köln zuletzt Gott von Woody Allen inszeniert hat (Premiere: 12. April 2018) und bekannt dafür ist, in seinen Produktionen das Schauspiel mit dem Puppenspiel zu vereinen, hat dieses Stück in der Außenspielstätte am Offenbachplatz inszeniert – mit fünf Schauspieler*innen und acht Puppen.

Ein Pflegeheim ist wie ein eigener Kosmos: Bewohner, Pflegende und Angehörige treffen hier aufeinander. Und im Mittelpunkt steht das komplexe Thema "Demenz". Dabei werden die Blickwinkel aller Akteur*innen eingenommen und deren Fragen und Probleme in den Raum geworfen und die verschiedenen Facetten der Demenz sichtbar. Die Geschichten der einzelnen Bewohner werden dabei genauso erzählt, wie das Leben des Pflegepersonals. Kommentiert und geführt wird der Abend durch den Professor, eine Puppe durch die der Autor Christoph Held zum Akteur auf der Bühne wird.  

Es sind fünf Bewohner, die in dieser Inszenierung zum Leben erweckt werden, Bewohner, die es so nicht gegeben hat, aber deren Geschichten alles andere als erfunden sind: Die Schauspielerin, der Verwaltungsratspräsident, die Gastarbeiterin, der Panther und die Tote. Daneben gibt es noch den Professor, die Careclownin, die Ehefrau des Verwaltungsratspräsident, den Sohn der Gastarbeiterin und die Pflegenden. Die Puppen werden mit viel Feingefühl von den fünf Spieler*innen geführt. Es sind unheimlich realitätsnahe und sehr echt wirkende Puppen, die bis aufs kleinste Detail perfekt konstruiert wurden. Und ihnen allen wurde ein ganz bestimmter Gesichtsausdruck ins Gesicht geschrieben, der sich auch nicht variieren lässt: einzigartig, spezifisch und auf ihre Figur zugeschnitten. Die Spieler*innen geben ihnen dabei eine Stimme und führen sie über die Bühne. Das Bühnenbild besteht indes aus alten rot gemusterten Teppichen, die an den Wänden und am Boden befestigt sind. Auf der Bühne steht dazu noch ein schwarzer Mini-Sessel, der Sitz des Professors. Die Spieler*innen tragen, wenn sie die Puppen führen, hautfarben bzw. rosa-beige Kleidung. So verschwimmen sie im Hintergrund hinter ihrer Puppe. 

Das Thema "Demenz" ist weitgehend noch ein großes Tabu-Thema, auch für die Figuren auf der Bühne: "Früher wolltest du es geheimhalten, heute hast du es vergessen", gesteht sich eine von ihnen ein. Das wusste auch der Regisseur und hat eine sehr würdige und respektvolle Theaterinszenierung geschaffen, die unfassbar berührt und oft lustig und traurig zugleich ist. Dabei werden auch die unangenehmen Aspekte und Szenen nicht gescheut: Etwa als ein Pfleger einen Bewohner "ausräumen" muss, weil dieser Verstopfungen hat oder als ein Pfleger beim Waschen einer Bewohnerin zärtlich in ihrem Intimbereich beim Saubermachen verweilt, weil diese offenbar unter großer "Berührungsarmut" leidet. Auch die Figuren der Bewohner sind sehr genau gezeichnet und vertreten einen bestimmten "Typen". Dies geschieht oft überspitzt, aber nie so, dass die Figuren verraten oder ins Lächerliche gezogen werden. Eine der großen Stärken dieses Theaterabends.

Der Regisseur arbeitet dabei mit vielen verschiedenen künstlerischen Mitteln, lässt Szenerien entstehen und kreiert berührende Atmosphären. Am Schluss sitzen sie alle, Bewohner wie Pflegende, gemeinsam an einer langen Tafel und es erklingt "Fly me to the moon" von Frank Sinatra, gespielt auf einer Ukulele. Ein melancholisches Ende, das dem gesamten Theaterabend vollends gerecht wird. Großer Schlussapplaus für die Spieler*innen und ein großes Highlight der laufenden Spielzeit!

***Noch mehr #Theatertipps findet ihr auf youpod.de/theater.***

von Marvin

Passende Artikel

Kommentar verfassen

Bitte fülle alle Felder aus die mit * markiert sind.