b.39 – Das Ballett am Rhein zeigt sich atmosphärisch vielseitig
14.04.2019
Das Ballett am Rhein hat sein neuestes Ballettprogramm präsentiert: b.39 heißt es und es feierte am 12. April im Opernhaus Düsseldorf Premiere. Darunter eine deutsche Erstaufführung und zwei Uraufführungen. Auch an diesem Ballettabend beweist die Compagnie des Ballett am Rhein nicht nur wieder seine große tänzerische Qualität, sondern auch wie vielseitige Atmosphären es im Opernhaus schaffen kann.
Dances with Piano ist der Titel des ersten Stücks, eine deutsche Erstaufführung, die der Niederländer Hans van Manen choreografiert hat. Uraufgeführt wurde das Stück im April 2014 am Het Nationale Ballet Amsterdam als Dances with Harp. Zuletzt arbeitete van Manen, der zu den bedeutendsten Choreographen unserer Zeit zählt, im Jahr 2014 in Düsseldorf, als er mit Alltag erstmals eine Uraufführung für das Ballett am Rhein kreierte. Dances with Piano wird, wie der Titel bereits verrät, durch ein Klavierspiel begleitet. Es spielt die junge, preisgekrönte Pianistin Schaghajegh Nosrati. Auf der Bühne stehen drei Tänzerpaare bestehend aus drei Frauen und drei Männern. Die Frauen tragen ein vom Schnitt her identisches Kleid, das sich nur durch dessen unterschiedliche Farbkompositionen unterscheidet. Die Männer tragen eine elegant fallende schwarze Hose und ein weißes Oberteil, durch das ein schwarzes Unterhemd schimmert. Trotz ihrer beinahe identischen Kleidung entpuppen sich unterschiedliche Persönlichkeiten und Charaktere. Dieses Durchschimmernde findet sich auch auf der Bühne wieder: An den Seiten hängen schimmernd blaue, leicht durchsichtige Vorhänge. Eine konkrete Handlung wird in der Choreografie nicht dargestellt. Es ist eher das Zwischenmenschliche, das in einem Wechselspiel aus einer sanften wie harten Atmosphäre zum Vorschein kommt. Dabei liegen die Bewegungen der Tänzer*innen mal mit der Musik aufeinander und mal sind sie leicht verschoben. Ein tolles, ineinandergreifendes Gesamtkunstwerk.
Martin Chaix war von 2009 bis 2015 Tänzer des Ballett am Rheins und kreierte hier auch sein erstes eigenes Stück für das Ensemble (We were right here!!, Uraufführung im April 2013). Nun kehrt der Choreograf mit der Uraufführung von Atmosphères nach Düsseldorf zurück. Der Titel ist der gleichnamigen Musikkomposition "Atmosphères" von György Ligeti nachempfunden, die auch Teil des Stücks ist. Darüber hinaus ist das "Intermezzo" von Krzysztof Penderecki und das Adagio cantabile aus der Klaviersonate Nr. 8 "Pathétique" von Ludwig van Beethoven zu hören. Die Bühne ist zu Beginn in Nebel gehüllt. Das Licht bahnt sich nur schwer seinen Weg. Auf der Bühnenrückwand wird ein riesiges, verschwommenes Bild sichtbar, das eine liegend fallende, nackte Frau zeigt. Das Bild wird durch einen vertikalen Lichtspalt durchbrochen. Es herrscht eine düstere, angespannte, unruhige Stimmung, eine verborgene Gefahr, die sich bemerkbar macht. Die Musik unterstützt dieses Gefühl. Und auch das große Ensemble, das in schwarzen, netzartigen Kostümen eingekleidet ist, bewegt sich zunächst vorsichtig. Durchbrochen wird die Atmosphäre durch kleine Überraschungsmomente in der Bewegung des Ensembles und der Musik. Mal flüchten sie alle plötzlich von der Bühne und nur einzelne Tänzer*innen bleiben zurück. Mal rennen zwei Tänzer*innen im Kreis und einer der Tänzer verschwindet plötzlich in der schwarzen Peripherie. Diese Momente tragen die Choreografie und enden in einem großen Finale: Eine Tänzerin in einem schönen, weißen Kleid wird von dem Ensemble auf Händen getragen und es entsteht das Bild von der Bühnenrückwand. Ein toller Schluss für dieses abwechslungsreiche Stück.
Martin Schläpfer, der Chefchoreograf und Künstlerische Direktor des Ballett am Rhein, hat nach "Ulenspiegeltänze" im letzten Ballettprogramm b.38 wieder ein eigenes Stück kreiert: 44 Duos heißt es und auch hier handelt es sich ebenfalls um eine Uraufführung. Es sind 44 Duos für zwei Violinen (Komponist: Béla Bartók), die Auslöser von 44 Tänzen werden. Die Violinen werden dabei von den beiden Musikerinnen Dragos Manza und Catherine Ribes gespielt, die im Orchestergraben höher platziert werden und so im direkten Sichtfeld des Publikums liegen. Bei den 44 kurzen Stücken handelt es sich um jeweils Ein- bis Zweiminüter, die von Volkstänzen und -liedern inspiriert worden sind. Die Bühne besteht aus einer weißen Rückwand, vor der eine Installation aus hängenden Objekten schwebt. Die Tänzer*innen tragen bunte Kleidung, eine ganz eigene Kreation aus Textil und Latex, und teilweise auch festes Schuhwerk. Es sind sehr besondere Kostümkreationen, die aus dem Gesamtkunstwerk prägnant hervorstechen. Die einzelnen musikalischen Miniaturen werden durch viele Auf- und Abtritte der Tänzer*innen zerteilt und zeigen ganz vielfältige Choreografien. Manches scheint miteinander zusammenzuhängen, denn vereinzelt tauchen Bewegungskombinationen wieder auf. Das Stück ist äußerst fordernd und setzt eine hohe Aufmerksamkeit und Konzentration des Publikums voraus. Die Platzierung dieser Choreografie an das Ende des Ballettabends bleibt zweifelhaft. Einzelne Zuschauer*innen verlassen daher schon verfrüht den Saal oder beschweren sich flüsternd bei dem oder der Sitznachbar*in über die empfundene Überlänge. Mit knapp drei Stunden ist das Ballettprogramm auch tatsächlich verhältnismäßig lange. Die Tänzer*innen treten noch ein letztes Mal als ganzes Ensemble auf, mit all ihren auffälligen Kostümen, verschwinden stampfend in der Tiefe des Bühnenraums und das Licht erlischt ein letztes Mal.
b.39 ist in dieser Spielzeit noch viermal im April und viermal im Mai im Opernhaus Düsseldorf zu erleben. Karten gibt es an allen bekannten VVK-Stellen und online unter operamrhein.de.
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