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Rot – Ein großes Wortgefecht im Atelier

24.04.2019

Was sehen Sie jetzt? Genau oder besser minuziös. Minuziös aber sensibel. Seien Sie freundlich! Einfach wie ein menschliches Wesen, mehr verlange ich nicht. Seien Sie einmal in Ihrem Leben ein Mensch. Diese Bilder verdienen Mitgefühl. Sie leben oder sterben durch den Blick des sensiblen Betrachters. Sie erwachen nur zum Leben, wenn der einfühlende Betrachter es zulässt. Deswegen wurden sie geschaffen, das verdienen sie. Und, was sehen Sie?

Der amerikanischer Maler Mark Rothko, aus Litauen stammend, lebte während des 20. Jahrhunderts. Er gilt als der Entwickler des Abstrakten Expressionismus und war Wegbereiter der Farbfeldmalerei. Er dominierte in den 1950er-Jahren die New Yorker Kunstszene und war auf dem Höhepunkt seines Ruhms. John Logan, ein US-amerikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor verfasste ein Theaterstück, indem es um den Höhepunkt von Rothkos Karriere ging, als dieser einen jungen Assistenten, Ken, einstellte, der ihm bei seinem neuesten Großauftrag helfen sollte. Rot heißt dieses Stück und es wurde 2009 in Chicago uraufgeführt. Für sein Werk erhielt Logan daraufhin im Jahr 2010 den Tony Award. Am Schauspiel Köln hat sich Ensemblemitglied und Regisseurin Melanie Kretschmann den Text vorgenommen und ihn in der Außenspielstätte am Offenbachplatz inszeniert. Es ist Kretschmanns zweite Regiearbeit in Köln (Nach Wir wollen Plankton sein in 2017). In dem Zwei-Personen-Stück spielen Wolfgang Michael (Mark Rothko) und Elias Reichert (Ken). Premiere war am 26. Januar 2018.

Mark Rothko erhält den Auftrag, eine Serie von Wandbildern für das neue Seagram Building in New York zu malen. Dafür wurde ihm das höchste Honorar versprochen, das einem Künstler je gezahlt wurde. Um Unterstützung bei der Herstellung der Leinwände und dem Anmischen der Farbe zu bekommen, heuert er einen Assistenten an, mit dem Namen Ken, an. Der junge Mann hat gerade sein Kunststudium beendet, ist voller Tatendrang und möchte vor allem eins: viel lernen vom großen Mark Rothko. Doch dieser betrachtet ihn zunächst nur als Diener und behandelt ihn wie einen minderbemittelten Laufburschen. Ken hat einen anderen Blickwinkel auf Kunst, Gesellschaft und das Publikum. Rothko wirft ihm Unwissenheit und geistige Unreife vor. Doch nach und nach verändert sich die Beziehung beider zueinander und sie begegnen sich auf Augenhöhe. Sie streiten, diskutieren und erweitern ihre Horizonte. Bis Ken, am Gipfel seiner geistigen Emanzipation ankommend, von Rothko unwiderruflich rausgeschmissen wird.

Melanie Kretschmann ist bereits bei der Besetzung ihres Zwei-Personen-Abends ein sich auszahlender Wurf gelungen: Wolfgang Michael, fest engagiert am Berliner Ensemble, ist eine Gestalt, die ihre Sätze förmlich freilässt. Ein großer Mann mit Brille, leicht fettigen nach hinten zurückgelegten Haaren, Dreitagebart und einem kleinen Bäuchlein. Eingehüllt in einen braunen Altherren-Anzug mit einem lila Pullover drunter und braunen Schuhe. Fast immer unterwegs mit einem halbleeren Cognac-Glas und brummiger Stimme. Daneben der viel jüngere, schön anzusehende Elias Reichert, der sich für seinen neuen Meister schick gemacht hat: Ein feiner blauer Pullover, darüber ein schwarzes Jackett, eine graue Jeans und dunkle Schuhe. Einer, der es schafft dem altklugen und besserwisserischen Wolfgang Michael alias Mark Rothko Paroli zu bieten. Ein ungleiches und sich doch so gut ergänzendes Meister-Schüler-Paar. Ihre beiden Schauspieler hat die Regisseurin in ein Wimmelbild-artiges Atelier-Setting versetzt. Der Boden ist mit Maler-Abdeckvlies ausgelegt, der Zugang zum Atelier erfolgt über eine helle Tür hinten links an der Bühnenrückwand. Vorne steht ein grüner hölzerner Sessel, auf dem Rothko oft wie der weise Weltvater sitzt, wenn er sich nicht gerade eine Zigarette oder ein Glas Alkohol am tiefen Beistelltisch weiter hinten holt. Daneben steht da noch ein Plattenspieler, Inspirationsmaschinerie für den Künstler. Drum herum stehen noch Holzlatten für die Leinwände, ein Scheinwerfer und in der Mitte eine große Leinwand, die an einer metallischen Halterung befestigt ist. Die Bilder und die gemalte Kunst wird von den Schauspielern im Zuschauerraum assoziert.

Und wie Wolfgang Michael dann da wieder in seinem grünen Holzsessel sitzt, mit Kippe und Cognac-Glas in der Hand, und Elias Reichert davor auf dem Boden hockt und so neugierig, interessiert und wissenshungrig auf seinen Meister schielt, dann gibt das ein schönes Bild ab, was dem Ego von Rothko nur so entsprechen mag. Er ist der, der alles richtig sieht, in seinen Bildern, und seinem Assistenten Ken jegliches Wissen oder Gefühl absprechen will. Es scheint zeitweise so, als würde Rothko tatsächlich etwas sehen, was Ken nicht sehen kann. Und doch bemüht sich der junge Mann so sehr und ordnet sich seinem Meister unter. Und wenn Rothko dann zum Pinselstrich ansetzt, ist Ken ganz außer Atem, so aufgeregt wie ein Kind vor der Bescherung am heiligen Abend. Er hängt Rothko nur so an seinen Lippen und genießt augenscheinlich dessen Nähe. Aber wehe der Junge mischt sich ein! Dann verpasst Rothko ihm erstmal eine dicke Standpauke. Doch anstatt Ken sich unterdrücken lässt, kämpft er sich unermesslich auf Augenhöhe heran. Er versucht unnachgiebig Anerkennung zu erhaschen. Elias Reichert spielt ihn als einen jungen Mann, der sich nicht abwimmeln lässt und der direkten Konfrontation irgendwann nicht mehr aus dem Weg gehen will. Und so drehen sich die Gesprächsthemen über die Kunst hinaus: Leben, Tod, Kindheit, Weltanschauung, Vergänglichkeit. Nur bringt das alles nichts mehr: Denn Rothko ist sich selbst überflüssig geworden. So endet es unvermeidlich in einer Beendigung des Assistenzverhältnisses. Er wirft ihn raus. Jetzt ist da nur noch schwarz. Großer Applaus für die beiden Schauspieler, die bewiesen haben, dass Rot weit mehr ist als eine Vorlesung über Kunstgeschichte. 

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von Marvin

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