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Fight Club – Uraufführung von Chuck Palahniuks Roman

18.05.2019

Du bist nirgendswo so lebendig wie im Fight Club, wenn es nur dich und einen anderen gibt. Oder diesem einzigen Licht, inmitten all der Zuschauer. Im Fight Club ist die Luft von so überströmender Männlichkeit geladen, dass jeder Atemzug berauscht, dass man weinen möchte, ohne zu wissen warum.

Der namentlich unbekannte Protagonist – In der Düsseldorfer Theaterfassung Eddy Runtler genannt – ist Angestellter eines Automobilkonzerns. Er hat einen gut bezahlten Job und eine Eigentumswohnung im 15. Stock eines Hochhauses. Man könnte meinen, dass er sich nicht beklagen könnte. Doch der junge Mann leidet unter chronischem Schlafmangel und eigentlich ist er ziemlich unzufrieden und unglücklich mit seinem Leben. Sein Arzt kann oder will ihm nicht helfen. Stattdessen bekommt er zu hören, dass er sich nicht so anstellen solle, es gäbe schließlich Menschen, die viel schlimmer dran seien als er. Um solche Menschen zu sehen, besucht er fortan Selbsthilfegruppen für Krankheiten wie Hodenkrebs oder Tuberkulose. Dadurch gelingt es ihm tatsächlich seine Schlafprobleme in den Griff zu kriegen. Denn hier scheinen einem die Leute richtig zu zuhören und man interessiert sich für sein Leben, Gedanken, Probleme und Ängste. Doch seine Schlafprobleme kehren zurück als er Marla Singer, eine andere Simulantin, in denselben Selbsthilfegruppen wieder und wieder trifft. Denn in ihr sieht er seine Lüge und Heuchelei gespiegelt und wird mit ihr konfrontiert. Als er im Urlaub auf Tyler Durden, einen sonderbaren Fremden, trifft, scheint er in ihm einen unmittelbaren Ausweg aus seinem Leiden zu sehen.

Fight Club heißt der Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Chuck Palahniuk, durch dessen Veröffentlichung im Jahr 1996 er internationale Bekanntheit erlangt hat. Sein Roman wurde daraufhin 1999 von Regisseur David Fincher verfilmt. In den Hauptrollen waren Edward Norton, Brad Pitt und Helena Bonham Carter zu sehen. Der Film mauserte sich zum Kultstatus. Nun wurde der Roman am Düsseldorfer Schauspielhaus für die Bühne adaptiert. Regie führte Hausregisseur Roger Vontobel, dessen Inszenierungen von Der Kaufmann von Venedig, Momentum und Hamlet derzeit auf dem Spielplan des Düsseldorfer Schauspielhauses stehen. Uraufführung war am 18. Mai im Central auf der großen Bühne.

Nachdem Eddys Wohnung durch eine vermeintlich versehentliche Explosion zerstört wurde, zieht er mit Tyler zusammen in dessen heruntergekommenes, baufälliges Haus. Tyler wird für Eddy mehr als nur ein Kumpel: Er wird Mentor, Ersatz-Vaterfigur und ein Offenbarer neuer Welten von Männlichkeit, Kraft und Sinn. Gemeinsam gründen die beiden in einer Bar einen Fight Club. Immer mehr junge Männer werden dort Mitglied und treffen sch regelmäßig, um zu kämpfen und den schmerzlichen Abgrund zu spüren. Doch irgendwann reicht Tyler der Fight Club nicht mehr und er beschließt, das "Project Chaos" ins Leben zu rufen. Die Zerstörung soll nun nicht mehr in einem Kellerloch stattfinden, sondern die gesellschaftliche Oberfläche erreichen. So wird neben den anderen Mitgliedern des Fight Clubs, die ebenfalls alle in das Haus von Tyler einziehen, auch der junge Protagonist Eddy weiter radikalisiert und die Vision einer völligen Zerstörung der gesamten Zivilisation proklamiert. Auch vor menschlichen Opfern und Toten wird nicht zurückgeschreckt. Erst durch ein Gespräch mit Marla Singer, die neben Tyler auch Eddy begehrt, wird ihm klar, dass es sich bei Tyler Durden nicht um eine real existierende Person handelt, sondern um eine dissoziative Persönlichkeitsstörung. Nun beginnt Eddy gegen Tyler zu rebellieren und das "Project Chaos" aufhalten zu wollen. Doch es ist längst zu spät. Eddy kann nur noch zusehen und den katastrophalen Folgen seines Handelns ins Auge sehen. Als er schließlich keinen anderen Ausweg sieht und völlig verzweifelt am Ende ist, zieht er die Reißleine und setzt dem ganzen ein Ende. Er hält sich den Lauf einer Pistole in den Mund und drückt ab.

In Roger Vontobels zweistündiger Inszenierung sitzen die Zuschauer*innen in einer Arena: Vier Tribünen stehen um die quadratische Spielfläche in der Mitte der großen Bühne des Centrals herum. Ein erhöhtes quadratisches, schwarzes Podest mit einem Boden aus schwarzen Holzlatten ist der Treffpunkt der Blicke des Publikums. Über dem Podest schwebt ein gläserner Kasten, der durch das Weißlicht der Leuchtröhren leuchtet. In Wallung versetzt wird das Bühnenspiel durch eine Rockband, die zwischen zwei Zuschauertribünen auf einem Podest platziert ist. Angeführt wird die Band von der Schauspielerin Sonja Beißwenger, die Marla Singer (wortwörtlich) verkörpert. Rauchend, trinkend und singend torkelt sie auf hohen Schuhen auf dem Bühnenpodest umher und versucht mit letzter Kraft ihre Haltung zu bewahren. Alles angerichtet also für den Kampf im Ring, der irgendwann kein Entkommen mehr zulassen wird. Doch zuvor tritt erstmal ein schlanker junger Mann mit glatt gekämmtem Haar und einer Plastiktüte der Marke Lufthansa in der Hand, die mit reichlich Dosenbier gefüllt ist, auf. Er trägt schwarzes schickes Schuhwerk, ein weißes Hemd mit einem grauen Schlipps und einer gleichfarbigen Anzugshose. Der typische Angestellte aus dem Figurenkatalog, der erstmal lang und ausführlich über zahlreiche Senfsorten, die sich in seinem Besitz befinden, philosophiert. Gleich hier stellt sich die Textfassung von Vontobel bereits als aktualisiert, modernisiert und lokalisiert heraus: Der namenlose Erzähler hat einen Namen, Eddy Runtler, Möbel werden selbstverständlich bei Ikea gekauft und ein Beleuchtungssystem à la Ambilight ziert sein Zuhause. Ein starker Beginn, der neugierig macht auf mehr.

Dann tritt Tyler Durden, gespielt von Wolfgang Michalek, auf, der sich mit einer Kerze in der Hand aus dem Zuschauerraum herausschält. Ein irritierender Mann mit langem blonden Haar, Dreitagebart, Sonnenbrille, schwarzem Bademantel und -latschen, darunter eine Badeshort im Strand-Design und einem weißen Unterhemd. Natürlich auch ausgestattet mit einer Plastiktüte, in der neben Dosenbier auch Zigaretten zu finden ist. Er ist es auch der, getarnt als vermeintlicher Zuschauer, mit dem Publikum interagiert. Er akquiriert Kämpfer und sucht nach Namensvorschlägen für seinen, natürlich, Fight Club. Mit ihm zieht auch das Blut, Verbände und Pflaster auf der Bühne ein. In der berühmten Szene, in der Tyler Eddy verpflichtet, ihm volles Rohr eine reinzuhauen, beginnt das nie enden wollende Blutbad. Angeheizt wird diese brutale, manchmal jedoch mehr lächerlich wirkende Prügelszene, durch das furiose Musikspiel der Band und flimmernden Lichteffekten. Hier zeigt sich, dass der Abend vor allem in seinen atmosphärischen Szenen funktioniert. Der Glaskäfig senkt sich und Eddy ist ihn ihm gefangen. Der ohnehin lädierte junge Mann schleudert sich bei kühlem Deckenlicht mit voller Wucht gegen die Fenster, dass das Blut nur so daran spritzt. Je mehr Eddy, körperlich zumindest, leidet, desto stärker upgradet sich Tyler Durden. Eddy, mit blutigem Körper, Verband um den Kopf und Pflaster am Auge gegenüber Tyler, mit Glatze, gefiedertem Schal und hervorstehender Plauze. Das Verhältnis zwischen den beiden kristallisiert sich spätestens hier heraus: Tyler, der Eddy in den Abgrund führt und ihn für seine Zwecke radikalisiert. Es geht um toxische Männlichkeit, eine "Remaskulinisierung" und der Weg zurück an die Macht (zumindest über sein eigenes Leben).

Nun ist die Inszenierung längst zu einer blutigen wie verschwenderischen Unterhaltungsshow verkommen: Zum Seifekochen trällert Tyler ein Liedchen und immer mehr und mehr Blut und Flüssigkeit tränkt den gesamten Bühnenboden. Selten denkt man über den Verschwender-Charakter eines Theaterbetriebs nach, aber an diesem Abend ist der Gedanke omnipräsent. Die Bildgewaltigkeit soll sich einstellen, damit die oft zähen Dialoge als nicht so überdrüssig wahrgenommen werden. Dabei wird der Bezug zur Verfilmung immer wieder aktiv gesucht "Ich bin ja nicht Brad Pitt, aber..." und so miteinander in Verbindung gesetzt. Vielleicht ist es dann auch genau der Teil des Publikums, der beim Schlussapplaus die Produktion mit Standing Ovations und Bravo-Rufen ehrt, weil er eine innige Beziehung zu Roman oder Film hat. Denn dem gegenüber steht oder besser sitzt der andere Teil des Premierenpublikums, der von einzelnen hartnäckigen Nicht-Klatschern und müden Gesichtern gezeichnet ist. Ein wirklich polarisierender Theaterabend, der wohl nur über die Radikalisierung des weißen Mannes seine Daseins-Berechtigung im Spielplan eines Theaters hat. Denn weitere Gründe, warum der Roman nach der Verfilmung jetzt auch noch für die Bühne adaptiert werden musste, konnte der Abend nicht liefern. Da bleibt dann doch die Frage: Warum das alles?

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von Marvin

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