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Der Hamiltonkomplex – Dreizehn 13-jährige Mädchen erobern die Bühne

30.06.2019

Lange fragt man sich, was einen wohl erwarten wird an diesem Theaterabend. In der Presse waren Sätze wie "Es ist schwer vorstellbar, so lange man es noch nicht gesehen hat." zu lesen. Neugieriger kann man also kaum sein, wenn man den Theatersaal betritt. Und dann stapfen sie als fluide Masse auf die Bühne und stehen auf die Zuschauerränge blickend an der Rampe. Dreizehn 13-jährige Mädchen im Stewardess-Outfit, die das Publikum mit den Sicherheitshinweisen in den Kammerspielen des Bochumer Schauspielhauses vertraut machen. Die Männer werden gebeten ihre sexuelle Begierde zurückzuhalten. Was erst absurd klingt - schließlich stehen da ja Kinder auf der Bühne -, hat im Folgenden seine Daseins-Berechtigung. Denn wie schnell man das Alter dieser jungen Frauen vergisst, verblüfft, wenn sie in verschiedene Kostüme und Rollen schlüpfen und mit den Blicken und Gedanken des Publikums spielen. Doch erstmal sind es wirklich kreischende Teenies, die ihrem Schwarm Elyas M'Barek vergöttern und, mit Musik unterlegt, einen ohrenbetäubenden Lärm machen.

DER HAMILTONKOMPLEX heißt das Stück von der belgischen Regisseurin Lies Pauwels, bei dem dreizehn 13-jährige Mädchen und ein Bodybuilder auf der Bühne stehen. Die Inszenierung ist ursprünglich 2015 in Antwerpen entstanden und nun für das Schauspielhaus Bochum mit Mädchen aus Bochum und Umgebung wieder aufgenommen worden. Premiere war am 2. November 2018 in den Kammerspielen.

Das inklusive und diverse Mädchen-Ensemble scheint in seinem Drang kaum zu bändigen zu sein. Der Bodybuilder versucht sie mit schriller Trillerpfeife und aller Muskelkraft zurückzuhalten, doch kommt gegen den pubertären Massenansturm nicht an. Und so werden aus den Stewardessen Schulmädchen, Rotkäppchen, Hunde, Zombies, Mrs. Germanys, Krankenschwestern und viele weitere Figuren. Damit legen sie verschiedene gesellschaftliche Debatten offen und schlittern zwischen Kindsein und Erwachsenwerden vor den Augen des Publikums. Bei dem Bühnenbild handelt es sich um eine abstrakte Konstruktion, die mit einzelnen Elementen aus verschiedenen Epochen spielt: ein metallischer Rundbogen, drei weiße riesige Säulen, ein naturromantisches Gemälde, ein Pferd, Plüschtiere, weiße Kunststoff-Gartenstühle und noch viel mehr - ein Chaos in einer konstruierten Ordnung quasi. 

Es ließen sich all die wunderbaren, berührenden wie verstörenden Bilder, die Lies Pauwels auf die Bühne gezaubert hat, nennen und beschreiben. Und doch ist es viel leichter, wenn man diese Inszenierung einmal selbst gesehen und sich dieser Situation im Theatersaal ausgesetzt hat. Denn Bühne, Kostüme und die zwischen Pop und Klassik hin und her schweifende Musik haben großen Anteil an der Atmosphäre und Spannung, die zwischen Ensemble und Publikum entsteht. Großer und lang anhaltender Applaus für dieses einmalige und sehr besondere Stück, das mit kaum einem anderen zu vergleichen ist. 

von Marvin

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