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Endspiel – Aussichtlose Warterei auf das Ende der Welt

14.06.2019

Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende. 

In einem bunkerartigen Raum leben die vier letzten Menschen der Welt zusammen: Der blinde und gelähmte Hamm, sein Diener Clov, der auf steifen Beinen steht und daher nie sitzen kann, und Hamms Eltern Nagg und Nell, die beinlos sind und in zwei Mülltonnen hausen. Die Welt außerhalb des Raumes ist offenbar ausgerottet, sie scheinen die einzigen Überlebenden einer globalen Katastrophe zu sein. Aufgrund der großen Abhängigkeit voneinander und der Bindung an diesen letzten lebensfähigen Ort können sie nicht fort und müssen wohl oder übel miteinander auskommen. 

Endspiel ist ein Drama von Samuel Beckett aus dem Jahr 1956, das im April 1957 in London uraufgeführt wurde. Deutsche Erstaufführung war im September des selben Jahres im Schlossparktheater von Berlin. Warten auf Godot ist Becketts bekanntestes Werk und zeigt wie Endspiel die ewig enttäuschende Illusion des Wartens und das menschliche Leben als vergebliche Suche nach einem Ausweg. Am Schauspiel Köln hat Hausregisseur Rafael Sanchez seine Inszenierung des Stücks vorgelegt. Premiere war am 12. Januar 2018 im Depot 2. Dernière war am 13. Juni.

Es ist die nackte, schmutzige, süffige, kahle Halle des Depot 2, die Regisseur Sanchez in seiner Inszenierung für sich sprechen lässt. Unverkleidet, in all ihrer Hässlichkeit, bietet sie den scheinbar idealen Raum für Becketts Endspiel, das in einem leeren und düsteren Raum spielt, das lediglich zwei kleine Fenster weit oben an den Wänden hat. Das eine Fenster zeigt Land, das andere zeigt Meer – so einfach, so schwarz-weiß, so gut. In Thomas Dreißigackers Bühne wird aus den Fenstern lediglich zwei rechteckige Lichtfelder. Sie spenden zwar ein wenig Licht, doch rausschauen ist dabei nicht möglich. Die beiden Fenster, links und rechts an den Bühnenwänden liegend, sind durch einen provisorisch ausgelegten Weg miteinander verbunden: Ein Mix aus Holzplatten und ganz schmalen weißen Matratzen. Hinten rechts führt ein kleiner Eingang zu einem weiteren Raum – der Küche –, der aber für den Blick des Zuschauers nicht vorgesehen ist. Stattdessen leuchtet aus dem Raum grünes Licht. Martin Reinke als Hamm, mit abgedunkelter Blindenbrille, ranzigem Cap und rautenförmigem Pullover, sitzt auf einem Holzstohl, der wiederum auf einem Rollbrett fixiert ist, in der Bühnenmitte. Vorne links an der Rampe sitzen Pierre Siegenthaler und Margot Gödrös als Nagg und Nell neben einer verrosteten, zerdötschten Metalltonne. Die linke Flanke markiert zudem ein seltsamer Gabelstapler, der in keiner Sekunde des Abends eine Funktion erhält. Hinter Martin Reinke versteckt ein großes waagerechtes Holzbrett das weiblich, blonde Streichquartett.

Das ganze Setting, auf den ersten Blick als äußerst passend zum Stück bewertend, wirkt ziemlich einfallslos und platt. Und auch an der szenischen Umsetzung der Figuren hapert es gewaltig in Sanchez' Inszenierung. Clov, der durch seine steifen Beine zum dauerhaften Stehen gezwungen wird und von Bruno Cathomas verkörpert wird, stapft zwar lärmproduzierend durch die Gegend, rennen und sitzen scheint er aber dennoch zu können. Daneben leben Hamms Eltern nicht in jeweils einer Tonne, sondern sitzen auf Stühlen brav neben der Tonne und können sich laufend durch den Raum bewegen. Das zerstört das von Beckett gezeichnete ausweglose, völlig ausgelieferte und abhängige Verhältnis der Figuren. Man will ihnen ihre Situation dadurch einfach nicht abnehmen. Darüber hinaus nimmt das natürlich auch einiges von der Komik weg, die an diesem Abend nicht mehr als prickelt. Ein Sinnbild dafür als sich Bruno Cathomas reichlich Flohpulver in den Schritt gießt und der drohende Juckreizanfall ausbleibt. Die Begleitung des Streichquartetts, vier Frauen, ganz in schwarz mit blonden Perücken, steigert den Wert der Inszenierung auch nur bedingt. 

Dennoch hat der Abend natürlich vereinzelt auch gute Momente und schauspielerisch ist das, vor allem von Martin Reinke, eine gute Leistung. Doch dagegen wirken die restlichen Schauspieler*innen nicht mehr als solides, nett anzuschauendes Beistellwerk. Dass das gesamte Ensemble, bis auf Bruno Cathomas, der ab und an in seiner Küche verschwindet, stets auf der Bühne bleibt, ist durchaus eine gelungene Regiehandlung, die der Ausweglosigkeit ein omnipräsentes Bild verschafft. Und wie auf der Titanic geht das Orchester erst zum Schluss von Bord. Doch wenn es kein Ende im Endspiel gibt, muss wohl weiter gemeinsam auf das Ende der Welt gewartet werden.

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von Marvin

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