Die Mitte der Welt - Die Bühnenfassung des Jugendbuch-Klassikers enttäuscht auf ganzer Linie
30.11.2017
Die dritte Premiere in dieser Spielzeit, am 17. November im Jungen Schauspiel in der Münsterstraße 446, galt dem Jugendbuch-Klassiker "Die Mitte der Welt" von Andreas Steinhöfel. Der 1998 erschienene Roman wurde bereits im letzten Jahr in den Mittelpunkt medialer Aufmerksamkeit gerückt, als er Premiere auf der Deutschen Kinoleinwand feierte. Bereits da wurden Buch und Verfilmung in den Himmel gelobt. Auch in Düsseldorf wurde die Theaterinszenierung des Jugendromans heiß ersehnt und vom Haus als DIE Inszenierung der laufenden Spielzeit im Jungen Schauspiel erkoren. Der Druck zum Abliefern war also groß. Nach der Premiere lässt sich nun sagen: Freud und Enttäuschung liegen ganz nah beieinander. So viel aber schon mal vorweg: Für mich persönlich DIE Enttäuschung des Jahres!
Worum geht’s?
Phil wohnt mit seiner chaotischer Mutter Glass und seiner verschlossenen Zwillingsschwester Diane in der alten Villa Visible am Stadtrand. Die Bewohner der Stadt haben kaum Kontakt zu - der als sonderbar geltenden - Familie. Phils beste und einzige Freundin ist Kat, die Tochter des Schuldirektors. Einen Vater hat Phil in seinem Leben nie gehabt. Die Rolle der Vaterfigur projiziert Phil auf seinen Onkel Gable, einen Seemann, der aber nur selten auftaucht und sonst auf den Weltmeeren unterwegs ist. Er weckt in Phil große Abenteuerlust. Eines Tages will Phil mit ihm auf Reisen gehen.
Darüber hinaus steht das verheiratete lesbische Pärchen Tereza und Pascal in engem Kontakt zur Familie. Gerade Tereza ist für Phil eine wichtige Bezugsperson.
Ein normales Leben hat Phil offensichtlich nie kennengelernt. Und als eines Tages der neue Mitschüler Nicholas erscheint, ist es um Phil geschehen. Eines ist sicher: Dieses Jahr wird über Phils Zukunft entscheiden ...
Tobender Applaus beendet den Premierenabend. Für mich persönlich totales Unverständnis über eine Inszenierung, die mich auf ganzer Linie maßlos enttäuscht hat und mich immer wieder reflexartig die Hände überm Kopf zusammenschlagen lassen hat. Nach der Pause hatte ich dann auch immer wieder den Drang verspürt, den Theatersaal verlassen zu wollen. Hat man die Besucher gefragt, die Buch und Film nicht kannten, bekam man fast durchweg eine positive Kritik des Theaterabends zu hören. Ich aber kenne Buch und Film und habe eine emotionale Bindung zu ihnen aufgebaut und bin deshalb so enttäuscht von der Bühnenfassung. Die Magie von Visible, die Magie der Beziehung zwischen Nicholas und Phil kommen gar nicht im Theatersaal rüber. Das Bühnenbild enttäuscht, wirkt kahl und kalt, die Engelsfiguren bleiben bis heute ein großes Fragezeichen. Die Musik, insbesondere das Schlagzeug, schaffen keine stringente Untermalung am Theaterabend. Die Charaktere im Buch, total spezifisch und trennscharf beschrieben, sind im Stück total schwach. Gerade die wunderbar einzigartigen Charaktere der Mutter und der Schwester bleiben total ungezeichnet. Gags im Überfluss, nach dem x-ten Mal der "Ice Cream"-Rufe bleibt das Lachen aus. Das besondere Verhältnis zwischen Mutter und Tochter wird zur Nebensache. Besonders magische Momente in Buch und Film verklingen auf der Bühne oder werden zur übersehbaren Nebenhandlung. Viele Szenen und Handlungen, die in Film und Buch nicht vorkommen, werden auf der Bühne kreiert und verhunzen die tolle Magie der Geschichte. Und das eigentlich doch so besondere Verhältnis und die Besetzung von Phil und Nicholas bilden die Spitze des Eisbergs von Enttäuschung und Unmut.
Wer Buch und/oder Film kennt, möge bitte Abstand von dieser Inszenierung haben. Es enttäuscht nur und lässt großen Unmut entstehen. Für Neulinge und alle, die noch nie mit dem Stoff in Berührung gekommen sind, wohl ein schöner Theaterabend.
Anmerkung der Redaktion:
Aufgrund von sich mehrenden Hinweisen müssen wir davon ausgehen, dass diese Theater-Kritik angeblich die Ansicht stützt, dass das Stück aufgrund der Inhalte nicht für Jugendliche geeignet ist. Wir möchten diesbezüglich unterstreichen, dass der Autor lediglich die Umsetzung des Buches als Theaterstück als nicht gelungen empfindet. Die Inhalte werden jedoch nicht als anstößig oder jugendgefährdend empfunden. Die Redaktion als auch der Reporter distanzieren sich von jeglichem homophoben oder rechtspopulistischen Gedankengut.
Die Mitte der Welt - nach dem Roman von Andreas Steinhöfel
Regie: Robert Gerloff, Bühne: Gabriela Neubauer, Kostüm: Johanna Hlawica, Musik: Hajo Wiesemann, Bastian Ruppert, Philipp Zdebel, Licht: Edgar Auell, Dramaturgie: Kirstin Hess
Mit: Kilian Ponert, Alessa Kordeck, Paul Jumin Hoffmann, Julia Goldberg, Julia Dillmann, Felix Banholzer
Dauer der Aufführung: 2 Stunden, eine Pause
Altersempfehlung: Ab 12 Jahren
Nächste Abendvorstellungen: 12.12. (18 Uhr), 16.12. (19 Uhr), 19.12. (18 Uhr), 13.01. (19 Uhr)
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