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Vom Schüler zum Lehrer: Jugendliche als Museumsführer

26.06.2013

Verstaubte Museumstouren sind für viele Schüler quälende Realität. Das Düsseldorfer Maxhaus versucht sich an einem neuen Konzept: Peerguides, gleichaltrige Jugendliche, führen Schulklassen durch die Ausstellung. Wir haben eine Klasse begleitet. Eigentlich sind Museumsbesuche mit der Schule ein bisschen wie der Sonntagskaffee bei Oma: Pflichtprogramm, dem man kaum entgehen kann. Das schützt uns zwar vor allzu großer Langeweile, ist aber auch nicht wirklich spannend. Doch woran liegt das? An den ausgestellten Stücken? Am Thema generell? Am Konzept. Das findet zumindest das Maxhaus in der Düsseldorfer Altstadt. Zur Ausstellung "Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte", die den Entwicklungs- und Leidensweg Anne Franks porträtiert wagte die katholische Begegnungsstätte einen Pilotversuch. Es ist halb neun als die Schülerinnen und Schüler des Ratinger Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums sich vor die erste Ausstellungswand setzen. Als Sitzfläche dient ein Hocker aus Holz, den jeder Ausstellungsbesucher während der Führung sein Eigen nennen darf. Ein bisschen durcheinandergewürfelt sitzen die elf Jugendlichen zwischen 14 und 15 Jahren gemeinsam mit ihrer Lehrerin Frau Radeck im Gang, vor ihnen eine junge Frau mit langen, blonden Haaren und einem pinken Oberteil, die etwas über die Flucht der Franks von Deutschland in die Niederlande erzählt. Das Namensschild verrät, dass sie Annette heißt. Auf Augenhöhe mit den Schülern Annette ist keine normale Museumsführerin. Sie ist 17 Jahre alt und hat gerade ihr Abitur am St.-Ursula-Gymnasium absolviert. In der Zeit zwischen Schule und Studium hilft sie dem Museum als sogenannter "Peerguide", einer Art "Gleichaltrigem Museumsführer". Ihre Aufgabe: den meist jungen Besuchern auf Augenhöhe begegnen. Dass die Abiturientin keine verstaubte Museumspädagogin kurz vor der Rente ist, fällt schon an ihrer Sprache auf: "Nicht schlimm, ich hab' das auch nicht direkt verstanden", sagt sie, als sie ein Schaubild erklärt. Bestechend ehrlich. "Da wir im selben Alter sind, können auf einer Ebene mit den Teilnehmern reden, so wie mit unseren Freunden", erklärt Annette die Kommunikation mit den jungen Besuchern. "Die Schüler hören uns deshalb eher zu und sind viel interessierter." Eine der Schülerinnen der heutigen Führung ist Chaima. Die 15-Jährige aus Ratingen kann dem Museumsbesuch viel abgewinnen: "Man versteht den Inhalt viel besser, wenn die Mitarbeiter des Museums so jung sind", findet Chaima, "die benutzen nicht so viele Fremdwörter." Das findet auch Lehrerin Sandra Gottwald: "Die Schüler haben so gar keine Hemmungen, sich einzubringen und fragen auch eher mal nach. Das ist eine ganz andere Art der Vermittlung, eine andere Perspektive". Workshops als Vorbereitung "Stellt mal eure Hocker zur Seite, wir machen jetzt ein Spiel", ruft Annette in die Runde. Die Schüler bekommen Karten mit Jahreszahlen und sollen sich in eine Reihe stellen entsprechend der Zahl auf ihrer Karte. Ziel der Übung ist es, herauszufinden, welche Freiheiten den Juden in den Jahren des zweiten Weltkriegs genommen wurden. Auch Lehrerin Radeck macht mit. "Welche Sachen macht ihr nachmittags? Was machen die Jungs so? Zocken? XBOX, Wii, was habt ihr da so?", werden die Schüler gefragt. Auf die Inhalte der Ausstellung wurden die Peerguides fachkundig vorbereitet: "Wir hatten einen zweitägigen Workshop mit Mitarbeitern des Anne-Frank-Hauses in Amsterdam", erklärt Annettes 16-jährige Kollegin Simone. 22 Peerguides wurden insgesamt ausgebildet. In einem zweiten Teil der Ausstellung werden das Zusammenleben und die Ausgrenzung in der heutigen Schülerrealität thematisiert. Es geht um diskriminierende Wörter: "Ich sag das auch manchmal, ganz ehrlich", erzählt Annette aus ihrem Leben, "aber es diskriminiert einige Gruppen von Menschen." Dann lässt sie einen Film laufen. "Ich könnte mir das Konzept auch gut für andere kritische Themen vorstellen, bei denen Jugendliche schnell abschalten", findet Lehrerin Sandra Gottwald, "zum Beispiel bei Alkohol, Drogen und Gewalt." Bisher sind weitere Ausstellungen mit Peerguide-Begleitung allerdings nicht geplant: "Das Peerguide-Konzept ist Teil der Ausstellung des Anne-Frank-Zentrums in Berlin", erklärt Julian Höbsch, Sprecher des Maxhauses. "Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass wir darauf noch einmal zurückkommen werden." Die Ausstellung "Deine Anne" ist noch bis Samstag im Maxhaus für alle Interessierten zu sehen. In Düsseldorf wird diese Ausstellung organisiert von folgenden Institutionen: Katholische Kirche, Evangelische Kirche, Diözesanrat der Katholiken, Düsseldorfer Appell/Respekt und Mut, Mahn- und Gedenkstätte der Stadt Düsseldorf und der Gesellschaft für christlich- jüdische Zusammenarbeit

von Kai-Inboden

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