"Das meiste lernt man oben im Flugzeug"
08.07.2013
Ein Fußballverein oder ein Mofaführerschein? Nichts für den 14-jährigen Sebastian aus Gerresheim. Er ist Segelflugpilot und an jedem Wochenende in der Luft, bald sogar ganz alleine. Wir haben ihn besucht.
Es ist ruhig im Osten von Düsseldorf. Von Zeit zu Zeit traben Pferde vorbei, die Sonne scheint. Auf einem großen Feld in der Nähe des Stadtteils Knittkuhl sitzt ein Junge im Schatten eines Transporters, im Hintergrund stehen einige kleine Flugzeuge. Ein Segelflugplatz. Von Zeit zu Zeit starten hier Segelflugzeuge mit einem oder zwei Passagieren an Bord.
Der Junge vor dem Transporter heiß Sebastian. Er ist 14 Jahre alt, besucht das Gerresheimer Marie-Curie-Gymnasium und nach der Schule spielt er gerne Hockey oder trifft sich mit seinen Freunden. Doch auch dieser Flugplatz gehört zu seinen Hobbys. Nicht als Zuschauer oder Besucher. Nein, Sebastian ist Pilot.
Seit rund einem Jahr ist der Schüler Mitglied im Verein "Düsseldorfer Aero-Klub e. V.", der auf der Wolfsaap - so heißt das Feld, auf dem die Flugzeuge starten - regelmäßig mit kleinen, leichten Segelflugzeugen in die Luft geht. Zum Segelflug ist er durch seinen Vater gekommen, der sich in seiner Jugend ebenfalls für das Fliegen begeisterte. "Ich war zu einem Schnupperflug beim Verein. Das hat mir so gut gefallen, dass ich geblieben bin", erinnert sich Sebastian.
Ausbildung zum Piloten
Nun befindet er sich in der Ausbildung zum Segelflugpiloten. Drei verschiedene Prüfungen muss der 14-Jährige ablegen um anschließend eine Lizenz zu erwerben, um unabhängig von einem Fluglehrer fliegen zu können. Das dauert je nach Engagement des Flugschülers rund drei Jahre. Ganz alleine im Flugzeug darf er aber schon vorher sitzen: "Sobald man die A-Prüfung geschafft hat, darf man alleine fliegen. Wir sind dann über Funk mit dem Lehrer am Boden verbunden, im Flugzeug sitzen wir dann aber alleine", so Sebastian. Rund 50 Starts müssen für die A-Prüfung absolviert werden, 39 hat Sebastian schon.
Zirka einen Kilometer vom Basis-Transporter entfernt, der hier "Startwagen" genannt wird und in etwa die Funktion eines Towers beim Flughafen hat, steht ein weiteres Auto, ein umgebauter Tankwagen mit einer Seilwinde. Auf dem Wagen sitzt Peter Montag, ein anderes Mitglied des Vereins. Seine Aufgabe ist es, die Flugzeuge mit der Winde in den Himmel zu heben. Denn ein Segelflugzeug hat keinen eigenen Motor.
Durch die Winde wird das Flugzeug innerhalb von drei Sekunden auf 100 km/h beschleunigt, dabei hebt es ab. Auf etwa 350 Meter Höhe wird das Seil ausgeklinkt und das Flugzeug liegt in der Luft. Die Aufgabe des Piloten ist es nun, das Flugzeug möglichst lange in der Luft zu halten. Das funktioniert mit sogenannter Thermik. Warme Luft steigt nach oben und kann dabei das Flugzeug mitnehmen. Diese Thermik ist meistens unsichtbar, es gibt allerdings Anzeichen, die in der Umgebung Thermik vermuten lassen, zum Beispiel Wolken. Findet der Pilot so einen Luftauftrieb, kann er mit dem Flugzeug steigen und so länger in der Luft bleiben. Findet er keine Thermik, ist der Flug nach etwa fünf Minuten wieder vorbei. Bis über 3000 Meter kann ein Segelflugzeug steigen, dabei ist es gar nicht so leicht. Zwischen 250 und 500 Kilogramm wiegt ein durchschnittliches Flugzeug ohne Personen.
Teamgeist, Technik und Freude an der Natur
Theorie pauken musste Sebastian bisher nicht: "Ich wurde zusammen mit einem Fluglehrer in ein Flugzeug gesetzt und dann ging es los", erzählt der Flugschüler, "das meiste lernt man oben im Flugzeug". Angst hat er dabei keine.
"Flugschüler brauchen vor allem Teamgeist, ein Interesse für Technik und Freude an der Natur", erklärt Fluglehrer Hans-Georg Früh, "schließlich arbeiten wir intensiv mit der Natur zusammen: angefangen von der Wiese, auf der wir starten, über die Wolken bis hin zum Verständnis für Berge. Wir fliegen mit der Natur und arbeiten nicht gegen sie. Die einzige Voraussetzung für einen erfolgreichen Schüler ist die regelmäßige Teilnahme an den Flugtagen".
Geflogen wird immer am Wochenende, so lange das Wetter mitspielt. Pro Tag startet jedes Mitglied bis zu drei Mal, manchmal auch häufiger. Ziel ist dabei für Sebastian meistens, die Thermik so zu nutzen, dass er an einen bestimmten Punkt fliegen kann: "Ich nehme mir dann zum Beispiel vor, über Unterbach zu fliegen oder über Hilden. Interessant war es vor allem, über mein eigenes Haus zu fliegen." Sebastians längster Flug dauerte über eine Stunde.
Kein teures Hobby
Auch Sebastians Berufsziel liegt in den Wolken: "Ich möchte gerne Pilot werden, das wäre schon cool", verrät er uns. Übrigens ist so ein Segelflugverein gar kein teures Hobby: Neben einer Jahrespauschale von 250 Euro für die Nutzung der Flugzeuge liegt der monatliche Mitgliedsbeitrag bei 25 Euro. Fliegen dürfen alle ab 14 Jahren, mit einer Sondergenehmigung auch ab 13 Jahren. Der Verein ist dabei ein besonders junger Verein: Rund ein Drittel der Mitglieder ist unter 20.
Während die Sonne langsam am Horizont verschwindet, landen die letzten Flugzeuge auf der Wiese, um über Nacht in die Flugzeughalle geschoben zu werden. Dort müssen sie aber nur bis morgen früh warten, dann geht es wieder los, dem Himmel entgegen.
Weitere Informationen zum Segelflugverein gibt es unter www.wolfsaap.de.
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