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Ich, das Ungeziefer! - Besuch im Schauspielhaus

17.09.2015

Mitreißend, abstoßend, auf die düstere typisch kafkaeske Weise wusste der Autor von vor 100 Jahren bereits die Aufmerksamkeit seiner Leser zu fesseln. Und auf die gleiche Weise gelingt es auch dem Autor, oder eher dem Regisseur, von heute. Ein guter Besuch im Düsseldorfer Schauspielhaus. Erstmals in Buchausgabe erschien vor knapp einem Jahrhundert Kafkas wohl bekanntester Roman "Die Verwandlung", der uns noch heute begeistert und ab und zu in der Schule gelesen wird. Der Regisseur Alexander Müller Elmau formuliert in seiner Fassung die Erzählung auf eine skurrile Weise neu und stellt somit Gregor Samsa und Co. in einem veränderten Licht dar, als es das Gros gewöhnt ist. Aufführung noch bis November in Düsseldorf Das Stück feierte am 10. September seine Premiere im Schauspielhaus und ist noch bis Ende November zu sehen (Termine). Eine Aufführung, die sowohl treu ergebene Fans von Kafkas Werken definitiv nicht verpassen sollten als auch diejenigen, die diese seltsame Geschichte neu kennenlernen möchten. "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte", findet er sich auf einem Haufen schmutziger Matratzen zu einem "Ungeziefer" verwandelt wieder, geweckt durch die mahnenden Stimmen seiner ihm fremdgewordenen Eltern und noch unwissend darüber, was auf ihn zukommt. Das Licht geht an, das imposante Bühnenbild erhebt sich vor den Augen des Publikums, der gesamte Raum wird von einer düsteren Atmosphäre erfüllt. Düstere Stimmung und alte Matratzen Auf der Bühne stehen Bettina Kerl und Jonas Gruber, noch vertieft in ihre Rollen als Frau und Herr Samsa, dies soll sich jedoch bald ändern. Und auch unser Hauptcharakter erweckt zum Leben: Er macht nicht den Eindruck, bisher ein spektakuläres Leben geführt zu haben - ein ehrgeiziger junger Mann, dabei seinen Karriereweg anzutreten, der geprägt ist von dem mühsamen Geschäftsleben, und jemand, der von seinen Eltern für seinen Fleiß gelobt und geliebt wird. Im Zuge dessen leben beide Fronten sich jedoch unwissend auseinander bis zu dem Punkt, an dem ihre Beziehung ihre Grenzen erreicht und sie sich nun als Fremde gegenüberstehen, ja einer sogar als Ungeziefer. Missverstanden von den Eltern Diese einander fremdgewordenen Menschen müssen nun versuchen, den Konflikt zu bewältigen und eine neue Basis schaffen, auf derer sie wieder zu sich finden. Jedoch gestaltet sich dieser Prozess als enorm schwierig, bis die Frage aufkommt: Lohnt es sich, an etwas bereits Vergangenem festzuhalten? Alexander Müller Elmau spielt in seiner Neufassung stark mit den Begriffen der Wirklichkeit und des Traumes. Für Gregor Samsa ist das Ganze ein Albtraum, eines Tages würde er aufwachen und alles wäre wieder so, wie es früher gewesen ist. Von den eigenen Eltern wird er missverstanden, sie können ihn wortwörtlich nicht verstehen und sind selber sehr verstört. Interessant zu beobachten ist die Vielseitigkeit mit der die Schauspieler sich in ihre Charaktere versetzen. Verwirrung beim Zuschauer Ein Hauptaugenmerk des Stückes ist, dass die Wahrnehmung der Charaktere dadurch beeinflusst wird, dass man sich nicht auf eine dem Schauspieler zugeschriebene Figur festlegen kann. Einzig Gregor bleibt Gregor, Frau Samsa kann Wächter oder nur die Frau sein, Herr Samsa ist zugleich Prokurist und der Mann. Dieser fließende Übergang der Rollen verwirrt den Zuschauer, auf der anderen Seite bildet diese Veränderung das Leitmotiv der gesamten Aufführung. Hat man sich an ein bestimmtes Verhaltensmuster gewöhnt, so wird diese Vorstellung direkt über den Haufen geworfen. Sachen verändern sich, das Bühnenbild und die Personen. Furcht vor dem Fremden Und Veränderungen werden in diesem Stück eine negative Bedeutung zugesprochen. Diese Menschen klammern sich an ihre alteingesessenen Gepflogenheiten und wurden aus ihrem Alltag gerissen und mit der Realität konfrontiert. Veränderungen bedeuten etwas Fremdes, und vor dem Fremden fürchtet man sich. Weiterhin richtet sich die Art der Inszenierung mit ihren Fragen besonders an den Zuschauer: Er wird aufgefordert mitzudenken und sein moralisches Verständnis wird auf die Probe gestellt bis zu dem Punkt, an dem sich die Handlung zuspitzt und das Urteil des Prozesses gefällt werden muss. Wer nun hoffentlich einen guten ersten Eindruck und einen genaueren Einblick in die Erzählung erhalten konnte und erfahren möchte, wie sich der weitere Verlauf der Geschichte abspielt, der hat noch bis zum Ende des Novembers die Möglichkeit, sich die Vorstellung im Schauspielhaus anzusehen. Weitere Infos gibt es beim Düsseldorfer Schauspielhaus.

von CheshireCat

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