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"Alice im Wunderland": Suche nach sich selbst in 70 Minuten

02.02.2016

Man behauptet so oft, Kindergeschichten seien - eben wie es der Name impliziert - nur für Kinder. Doch im Jungen Schauspielhaus zeigt "Alice im Wunderland", dass eine Reise ins Wunderland für Jung und Alt interessant sein kann. Tobias Goldfarb gewährt mit seinem Werk den Eintritt in eine bereits vergessene Welt, die Welt des Kindes, die Welt von Alice und eröffnet dem Zuschauer die Vielseitigkeit, welche sich hinter der Kindergeschichte verbirgt. Von Lewis Carroll wurde die Geschichte geschrieben. Zwar handelt diese von nur einem einzelnen Mädchen auf Durchreise in einem Wunder(vollen)Land. Doch vereint dieses komische Spiel die Grenzen zwischen Realität und Abnormalen und findet seit 1865 seinen Weg zu Zuhörern aus aller Welt. Mit seiner Erzählung begibt sich das Publikum durch das Hasenloch auf eine Reise der Selbsterkundung und die Suche nach der eigenen Identität. Das Kind Alice sieht sich oft mit der Frage "Wer bin ich?" konfrontiert und erwächst aus diesem Prozess zum Schluss der Erzählung aus ihrer naiven kindlichen Haut - und befindet sich somit auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Dieses Reich der Kinder befasst sich nicht nur mit der Entwicklung zur erwachsenen Person sondern insbesondere mit dem Thema der Selbstfindung und beschreibt einen fortwährenden Prozess. Als Kind wird Alice ins Wunderland geworfen, ihr Charakter ist flach und unselbstständig und als Kind verlässt sie das Wunderland auch. Auf ihrer Reise jedoch gewinnt sie an Beständigkeit und Stärke und hinterfragt und ergründet und kämpft und findet schließlich doch eine Antwort. Innenwelt von Alice auf der Bühne In seinem Theaterstück vermittelt Tobias Goldfarb die Elemente dieser komplexen Thematik. Es wird die wundersame Innenwelt von Alice vorgeführt, die Charaktere, auf die sie trifft, spiegeln Aspekte ihres eigenen Unterbewusstseins wieder, so die Verwirrtheit und Spontanität, mit der ihr die Wesen aus Wunderland begegnen. Alice Schauspielerin Julia Goldberg fasst das Stück als "Alice' eigene Reise" und ihren Kampf mit Teilen ihrer Person zusammen. Für sie ist es ein Zusammenspiel von Ernst und Spaß, das verrückte Wunderland kontrastiert den sonst eintönigen und unsicheren Charakter der Protagonistin Alice. In ihren Augen ist Alice eine nüchterne und uninteressante Person ganz im Gegenteil zu ihrer Umwelt, was in diesem Falle wortwörtlich verstanden werden kann. Die Darsteller führen, treten, laufen auf einem farbintensiven geometrischen Türengebilde auf, die Farbvielfalt vibriert mit der Musik und irritiert. Die Besonderheit an dem Stück liege an seiner einzigartigen Buntheit, beschreibt Julia. Diese Buntheit, so der Regisseur Tobias Goldfarb, sei ein markanter Teil der dadaistischen Welt, welche dem Publikum für 70 Minuten eröffnet wird, einer Welt ganz abseits vom Alltagstrott. In ihrer Komik und Euphorie vermittele das Stück die düsteren Seiten von Alice, "Alice' Abgründe", gleichzeitig ergründet Alice ihre eigene Stärke und findet so die Antwort auf ihre Ausgangsfrage: "Wer bin ich?". Dodgson sei Mathematiker gewesen, kein Schriftsteller, und doch findet seine Geschichte einen solch gewaltigen Anklang. "Es ist eine logische Geschichte" - entgegen damals herrschender Konventionen, die innere Fantasie wird zur Kindeskraft, die Brücke zwischen Realität und Traum schafft sich ab. Mit seiner Inszenierung möchte Tobias Goldfarb von der Alice-typischen "Zuckergusswelt" abkommen und den Scheinwerfer auf den Schatten von Alice richten: auf ihre Zweifel, Ängste und Unsicherheiten gepaart mit den furchteinflößenden Wundern eines Landes auf der anderen Seite der Erde, wo die Menschen Kopf stehen und Wortspiele und verdrehte Aussagen das Mädchen in die Irre führen. Zum Ziel führt nur die Treppe des Bühnenbildes, dort wo die König(in) thront und wo kein gerader Weg hinführt, genauso wenig wie es für Alice genau den einen Weg zum Ziel gibt, wie José Luna sein Bühnenbild begründet. In dieser verworrenen "frechen und gleichzeitig schönen Welt" lehnt sich Alice gegen die Tyrannei der Königin auf und durchbricht so gleichzeitig ihre Grenzen, welche die Entfaltung ihrer Persönlichkeit verhindern. Im Einklang mit der Aufführung geben die Kostüme von Ausstatter José Luna die fantasievolle Farbintensität und Dynamik des Stückes wieder und unterstreichen die absurde und skurrille Eigenschaft der Inszenierung. Alice mit großem Kopf, Alice mit kleinem Kopf, der Hutmacher mit dick aufgetragenem Akzent und die König(in), die Köpfe lieber abnimmt anstatt ihnen zuzuhören und ihre Untertanen unterdrückt. Diese und viele weitere Charaktere werden von nur vier Darstellern verkörpert - und jeder in seiner Einzigartigkeit, die dem jeweiligen Charakter mehr als nur gerecht wird. Alice im Wunderland mag als Geschichte für Kinder angedacht sein, Tobias Goldfarbs Interpretation zeigt jedoch, dass sie für Jung und Alt gleichermaßen unterhaltend sein kann und vereint in sich die komplexe Wunderlandwelt mit den Ansprüchen moderner Theaterkultur. Das Junge Schauspielhaus führt "Alice im Wunderland" bis zum 30. März auf, Karten sind erhältlich unter www.duesseldorfer-schauspielhaus.de/de/index/spielplan/alle-stuecke/stueck.php?SID=1723.

von CheshireCat

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