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Hofreiter spricht in Flingern über Fleischfabrik

03.11.2016

Vegan ist in? Ja, aber trotzdem werden hier Unmengen an Fleisch produziert.

Anton Hofreiter, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/den Grünen im Bundestag, war an Allerheiligen zu Besuch in der Filmwerkstatt Düsseldorf, wo er eine Lesung zu seinem im Sommer erschienenen Buch "Fleischfabrik Deutschland" hielt. Der promovierte Biologe thematisiert die zunehmende Fleischproduktion, die dem Trend einer bewussten und fleischlosen Ernährung in Deutschland entgegenläuft.

Auf 256 Seiten wird dargestellt, wie der Preisdruck nach unten Kleinbauern vom Markt verdrängt und stattdessen die umstrittene Massentierhaltung fördert.

Kindheit mit Apfelernte

Zu Beginn des Abends erwähnt "Toni", wie er beinahe liebevoll vom Moderator genannt wurde (bei den Grünen wird geduzt), wie die Apfelernte seiner Kindheit ihn früh mit der Natur verband, dass sein Interesse an der Artenvielfaltsforschung aus Sorge um die aktuell prekäre Situation erwuchs und auf welche Weise ihn die häufigen Reisen nach Südamerika in seinem Umweltsbewusstsein beeinflusst haben. Wald-Rohdungen zugunsten des Anbaus von "Sojafeldern, welche bis zum Horizont reichen" habe er dort vor Ort erlebt

Mehr wird in seinem Südamerika-Film deutlich, der dem vollen Haus gezeigt wird. Es geht dort um Soja-Importe, die erzwungene Anpassung der Kleinbauern und den Missbrauch der Natur als Anbauflächen, zulasten indigener Völker und vereinzelter Ansässigen.

Für die Lesung hat sich Herr Hofreiter drei Passagen ausgesucht:

Über die skandalöse Schweine-Tierhaltung, Schweine, denen die Ringelschwänze abgeschnitten wurden, die auf engstem Raum zusammenleben, er zeichnet Szenarien ihrer Realität und ruft uns bekannte Bilder aus Medien und Dokumentationen in Erinnerung.

Über die Schuldfrage. Bewusst betont er, dass der Fehler nicht bei den Verbrauchern zu suchen sei. Die gegenwärtigen Probleme sollen als Handlungsauftrag an die Politik gerichtet werden, die mit der Aufgabe ihrer Lösung betraut ist.

Über die Lebensmittel-Lobby, denjenigen die "in Brüssel und Berlin sitzen", dort herrscht jedoch eine unproportionale Interessenverteilung vor. Während nur ein Bruchteil dieser Lobby NGOs repräsentiert, kämpft der andere Teil für eine Vernebelungsstrategie, um wettbewerbsfähige Agrarwirtschaft beizubehalten und die Größten dieser Industrie zu bevorteilen.

Dieses Problem werde in vielen Teilen der Politik schön geredet - nicht zuletzt auf grünverzierten Fleischpackungen der Discounter, die mit Guthofsnamen für die gutdeutsche Herkunft ihres Fleisches werben, während ihre Inhalte tatsächlich auf einem betongrauen Mastbetrieb gezüchtet und abgefertigt wurden.

Wie kann nun dieser Mentalitätsumschwung zur bewussten Ernährung helfen, der die deutsche Gesellschaft zu ergreifen scheint?

Eine ähnliche Frage wird in der moderierten Fragerunde gestellt.

Die Antwort: Regeln und Gesetze sollen zur Absicherung und Regulierung dienen und zur Agrarwende beitragen. Hofreiter würde das Image einer Verbotspartei riskieren, wenn dies zur Formulierung solcher Gesetze beiträgt und politische Impulse setzt. Die Informationspolitik muss Konsumenten angemessen über die Probleme in Kenntnis setzen, so dass Verbraucher frei über ihr Handeln entscheiden können. Und der Wille, etwas zu verändern, existiert bereits: Dadurch, dass Deutsche bereit sind, auf Fleisch zu verzichten oder vermehrt gute Qualität schätzen. Jetzt darf nur nicht (weiter) der Fehler gemacht werden, gute Qualität für niedrige Preise zu erwarten.

Reform ist auf Bundesebene nötig und dafür bedarf es einer Mehrheit im Bundestag. Auf Nachfrage, wie eine solche Mehrheit erzielt werden könne, könne er sich Schwarz-Grün vorstellen. Dieses Bündnis vertrete ähnliche Werte, die einen setzen sich für artgerechte Tierhaltung ein, die anderen wollen die Schöpfung wahren.

Soll nun artgerechter produziert werden, so steigen zwangsläufig die Preise für Fleisch. Welche Auswirkung diese Entwicklung dann auf die unterschiedlichen sozialen Schichten haben würde?

Darauf entgegnet er, dass ein Preisanstieg zwar stattfinden wird, dieser Anstieg jedoch nicht als kritisch verzeichnet wird. Gerechtigkeitspolitik soll emanzipatorisch sein und Zuspruch für eine verbesserte Fleischpolitik gibt es in der Partei. Des Weiteren sei der Vorwurf, die Grünen seien eine neubürgerliche Partei eine schlichte Unwahrheit. Er beruft sich auf Statistiken, die zeigten, dass mehr als die Hälfte der grünen Wählerschaft keinen höheren Bildungsabschluss besitzen. Es mache keinen Unterschied, denn auch sie kaufen Bio im Discounter oder sind bereit, mehr für gentechnisch unverändertes Fleisch zu bezahlen. Auf den sozialen Hintergrund komme es letzendlich also nicht an.

Das Publikum klatscht begeistert Beifall. Es haben sich, augenscheinlich, mehr überzeugte Grüne eingefunden als kritische Stimmen, soviel ist klar. Aus diesem Grund ist es nicht überraschend, dass viele Fragen mit dem grundsätzlichen Tenor Hofreiters harmonierten und stärker auf seine politische Linie eingingen. Doch das ist okay, es handelt sich bei der Lesung ja auch um eine Diskussion. "Toni" hat gezeigt, dass das Thema für den nächsten Wahlkampf auf seiner politischen Agenda steht und er tatkräftig für Reform kämpfen wird.

Vielleicht tritt mit ihm dann statt einer Verbotspartei eine Gebotspartei auf.  

von CheshireCat

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