Mein Recht
Hate Speech, der Hass im Netz
12.04.2017
Der Umgangston im Internet wird immer rauer. Nicht verwunderlich, dass Hate Speech, oder auch zu Deutsch "Hassrede", sich in den letzten Jahren zu einem breiten Phänomen im Internet entwickelt hat. Was zuerst rein sprachwissenschaftlich klingt, ist jedoch auch eine hoch politische und soziologische Erscheinung. Das bedeutet, dass es nicht nur um die Worte an sich geht, sondern auch um das, was sie in der Gesellschaft anrichten – digital und offline.
"Hassrede ist Krieg mit Worten"
Dr. Norbert Reichel, Ministerium für Schule und Weiterbildung, Fachtagung Hatespeech 2017
Hatespeech ist im Netz Zuhause. Worte werden eingesetzt, um auf sozialen Plattformen, in Foren und auf Blogs gezielt Menschen herabzusetzen, sie zu provozieren und zu beleidigen. Sie sind oftmals rassistisch, antisemitisch oder sexistisch und richten sich vorzugsweise an bestimmte Menschen und Gruppen, die in der Minderheit sind oder sich von der Masse durch bestimmte Merkmale absetzen. Neu ist das nicht. Hatespeech findet schließlich nicht nur im Netz statt, sondern manifestiert sich auch außerhalb der digitalen Welt. In der Bahn, auf dem Schulhof, im alltäglichen Leben. Und vor allem: Jeder kann Opfer von Hatespeech werden.
Diese Form der Abwertung ist bisher nicht klar definiert worden. Auch der Europarat fasst sich sehr weit bei der Festlegung der Bedeutung: "(...) der Begriff 'Hate Speech' umfasst nach diesem Verständnis jegliche Ausdrucksformen, welche Rassenhass, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder andere Formen von Hass, die auf Intoleranz gründen, propagieren, dazu anstiften, sie fördern oder rechtfertigen, unter anderem Intoleranz, die sich in Form eines aggressiven Nationalismus und Ethnozentrismus, einer Diskriminierung und Feindseligkeit gegenüber Minderheiten und Menschen mit Migrationshintergrund ausdrückt." (Europarat, Ministerkomitee, Empfehlung Nr. (97) 20)
Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen
Jugendliche und junge Erwachsene setzen sich mit Hate Speech auseinander, weil es sie entsetzt oder sie es als persönlich relevant halten. "Meinungsfreiheit ist nicht die Freiheit, alles zu sagen, was möglich ist." heißt es auf der Website von No-Hate-Speech und das ist richtig und wichtig. Sobald die Würde des Menschen "angetastet" wird und eine Diskriminierung vorliegt, wird aus der "Meinung" eine Straftat. Doch im Netz fühlen wir uns schnell anonym, verstecken uns hinter manchmal hinter Nicknames und bauen die Hemmschwellen ab, die uns in der realen Welt offline davon abhalten, Dinge auszusprechen. So passiert es immer häufiger, dass Hate Speech-Verfasser auch mit Klarnamen ihre Botschaft verbreiten.
Hate Speech hat viele Formen
Hassrede kann verschiedene Formen annehmen. So unterschiedlich die Absichten, so vielfältig sind auch die Arten. Die bekannteste Form ist sind die Trolle. Abgeleitet vom englischen Begriff trolling, was so viel bedeutet "ködern" und eigentlich eine Form des Fischens beschreibt, zielen diese Menschen es auf die Emotionen anderer ab. Ohne direkte Beleidigung vermitteln sie unterschwellig Störungen. Sie versuchen mit ihren Antworten zu provozieren und die Gefühle zu verletzen – ein sachlicher Austausch ist unmöglich.
Rechtsextremistischer Hass hingegen ist sehr direkt und offen herabwürdigend. Beleidigungen, falsche Fakten und auch hin und wieder eine schwache Rechtschreibung zeichnen diese Beiträge aus. Dabei geht es darum, die betroffenen Personen schlecht zu machen und darüber hinaus die eigene Weltauffassung zu verbreiten. Meinungsmache ohne oder mit falschen Fakten ist gefährlich und muss gestoppt werden.
Wer trollt denn da?
Die Forschung setzt sich zunehmend mit dem Phänomen auseinander. Eine von der Landesanstalt für Medien (LfM) aufgegebene forsa-Umfrage hat die Ethik im Netz untersucht. Hassrede wird da von Internet-Nutzern vornehmlich als feige wahrgenommen. Sie fördert aber auch Wut und Angst bei Internetusern und Betroffenen gleichermaßen.
Hinter der Hassrede verbergen sich Menschen, die soziale oder ökonomische Probleme als Gefahr für das persönliche Leben wahrnehmen – egal, wie viel Wahrheitsgehalt die Aussagen besitzen. So kann man das menschenverachtende Gedankengut auch nicht bestimmten Bevölkerungsgruppen zuweisen. Diese Form der Kommunikation wird teilweise auch professionell betrieben: So beauftragen meist politische Auftraggeber Menschen, um gezielt zu trollen oder gewisse Meinungen zu verbreiten.
Hatern keinen Raum bieten
Wichtig ist: Nicht stumm bleiben, egal ob als Betroffener oder Mitleser. Das Internet ist die Erweiterung des gesellschaftlichen Raumes. Was wir im wahren Leben auf der Straße nicht gutheißen, sollten wir auch online verurteilen.
Hasskommentare werden von Mitlesern am ehesten gemeldet, wenn sie nicht gar ignoriert werden. Nur wenige setzen sich mit dem Kommentar auseinander, rufen das Profil des Verfassers auf und reden mit anderen Menschen darüber. Am sinnvollsten ist es, direkt auf den Hasskommentar zu reagieren, das tun laut Studie jedoch nur rund zwei Prozent. Wer nicht reagiert, unterstützt die Szene des Hasses.
Aktive Antidiskriminierung mit logischen Antworten und Witz
Die sogenannte Counterspeech kann jeder verfassen. Wichtig ist vor allem, solchen Menschen keine Akzeptanz entgegen zu bringen. Mache deutlich, dass du davon nichts hältst – es lesen mehr Menschen online mit, als sich tatsächlich äußern und viele sind deiner Meinung. Da ist es wichtig, eine Gegenlobby zu bilden und aktiv zu werden. Sag deine Meinung, argumentiere um den Wind aus den Segeln zu nehmen oder mache dir eine gehörige Portion Humor zu Eigen. Mit witzigen Antworten, einfachen Memes oder Gifs hebt man das Gespräch auf eine ganz andere Ebene und lässt die Hate Speech ins Leere laufen.
Rechtliche Schritte sind möglich und nötig
Hatespeech selber ist kein juristischer Begriff, was die beispielhafte Handhabung schwierig gestaltet. Im deutschen Recht gibt es nur zulässige und unzulässige Aussagen. Schließlich gibt es in Deutschland auch das hochgehaltene Recht zur Meinungsäußerung. Dieses ist jedoch durch Schranken wie dem Schutz der Jugend und das Recht auf persönliche Ehre eingegrenzt. Werden diese Aspekte verletzt, so können Hass-Stifter vom Staat durch allgemeine Gesetze, wie zum Beispiel dem Verbot des Aufrufes zu Straftaten, rechtlich belangt werden. Dies geschieht auch bei Volksverhetzung, was außerjuristisch dem Begriff Hate Speech am nächsten kommt. Hier ist jedoch der Teilbereich, wo das Gesetz zur Anwendung kommt, eher klein. Am bedeutsamsten ist das Recht auf persönliche Ehre, um gegen Hassreden vorzugehen. Im Einzelfall wird geprüft ob sachliche Anknüpfungspunkte für die Wortwahl vorliegen.
Wer hilft mir weiter?
Hate Speech ist mittlerweile eine etablierter Begriff und das Problem ist bekannt. Eine erste Anlaufstelle bietet die No Hate Speech- Initiative vom "Bundestrollamt gegen digitalen Hass". Auf der Website gibt es viele unterhaltsame Memes und Gifs zum Download und weiterführende Hilfe. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hingegen liefert tiefergehende Informationen zu Begrifflichkeiten, der rechtlichen Lage und orientiert sich an den betroffenen Zielgruppen, wie Flüchtlingen.
Auch die Belltower-News, ehemals Netz gegen Nazis, macht sich für eine digitale Zivilgesellschaft stark.
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