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Zwischen Poesie und Podium: Netzheldin Kim über das Schreiben

23.05.2017

Kim Salmon ist 17 Jahre und lebt in der Nähe von Frankfurt. Sie schreibt seit vielen Jahren zu allen möglichen Themen im Netz und hat auch schon verschiedene Preise gewonnen. Neben dem 1. Platz beim Wettbewerb #netzheldin vom MGEPA und LizzyNet hat sie den Theo2015 gewonnen, den Berlin-Brandenburgischen Preis für junge Literatur. 

Du warst auf der Fachtagung für Hate Speech. Kannst du kurz umreissen worum es dabei geht?

Hate Speech ist ein Phänomen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Internet. Diese wird in verschiedenen Situationen, in Kommentaren und auf Facebook geäußert. Auf der Fachtagung wurde thematisiert was es ist und was man dagegen machen kann. 

Ich wurde eingeladen, weil ich einmal einen Schreibwettbewerb von Lizzynet gewonnen habe. Der Wettbewerb wurde vom Bundesministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter. Dadurch wurde mir der Kontakt hergestellt, sodass ich seitdem von Kongress zu Kongress toure und dort meinen Text vortrage. 

Durch meinen Blog habe ich selber Erfahrungen mit Hate Speech gemacht. Von Nazi Drohungen bis hin zu Leuten, die mit halb seriösen Studien pöbeln. Über solche Leute, die nur Stress suchen, habe ich mich in dem Text aufgeregt und einen offenen Brief an sie verfasst. 


Wie bist du zum Schreiben und zum Poetry Slammen gekommen?

Zum Schreiben schon vor ganz langer Zeit, weshalb ich mich nicht genau daran erinnere. Mit 13 ist das Schreiben intensiver geworden. Da bin ich auf das Literaturhaus Frankfurt gestossen und habe dort im Rahmen einer Ausschreibung an meinem ersten Literaturworkshop teilgenommen. Auf diese Weise fand ich den Weg in ein Netzwerk aus anderen Schreibern, die das schon mehrere Jahre lang machten. Ähnlich war es beim Poetry Slam. In Wolfenbüttel war ich auf einem Literaturworkshop und nahm da an einem U18-Poetry-Slam teil. 


Worum ging es damals in deinem Poetry Slam?

In der ersten Runde habe ich ein Gedicht über Schreibblockaden vorgetragen. In der zweiten, finalen Runde habe ich einen Prosatext verfasst, der mit der Jury von solchen Literaturwettbewerben abrechnete. Die haben alle kreatives Schreiben, Kulturwissenschaft oder Komparatistik studiert, was ich satirisch etwas aufzog. 


Man merkt, dass du eine auffallende Persönlichkeit bist. Auch dein Blog sticht durch seinen Titel „teilzeitanarchistin“ hervor. Was hat es damit auf sich?

(lacht) Ich war 14, suchte einen Titel und fand ihn cool. Ich dachte mir, dass der Staat auf jedenfall erhalten bleiben soll, ein bisschen mehr Freiraum aber ganz gut wäre. Heute würde ich ihn aber nicht mehr wählen.


Dein letzter Blogbeitrag war "Warum ich so selten schreibe".

Der ist im Rahmen eines Poetry Slams entstanden. Ich hatte vorher längere Zeit nicht geschrieben, aufgrund der ganzen Abivorbereitungen. Einen Tag vor der Bioklausur habe ich den Beitrag mit einer kleinen Erklärung hochgeladen, um ein bisschen runterzukommen. 


Wie würdest du deinen Schreibstil beschreiben? 

Ein wenig salopp. Hoffentlich etwas locker. Ich mag Sprachspiele sehr gerne. 


Die Texte, die ich bisher von deinem Blog kenne, sind sehr interessant und tiefgründig. Richtest du dich beim Verfassen nach einem bestimmten Sinn? 

Meistens habe ich ein bestimmtes Thema, das mich für längere Zeit beschäftigt. Manchmal geht es mir auch um eine kleine Situation, über die ich schreiben will, die ich einfangen will ohne dass es einen politischen Anstoß geben soll. 


Was sind Themen über die du gerne schreibst?

Ich schreibe gerne über politische Themen und ungewöhnliche Begegnungen. Zum Beispiel habe ich vor einiger Zeit angefangen absurde Minidramen zu schreiben. Das sind kurze komische Geschichten, wie ein Streitgespräch über die wahre Bedeutung des Erzählens. Oder dass Jesus eines Tages einen Koffer abstellt und für einen Terroristen gehalten wird.


Also liegt deine Inspiration doch eher im Alltag?

Genau.


Sind alle Slam-Texte tiefgründig?

Die Texte, die wirklich tiefgründig sind, wirken im ersten Moment nicht so. Solche, in denen Leute vor sich hinpoltern, bleiben am ehesten hängen als Texte, die bewusst tiefgründig verfasst wurden. Damit fliegen sie auf die Nase, weil sie es auf eine Art anpacken, die ihnen oder dem Publikum nicht liegt. Das ist langweilig und wirkt gezwungen.


Deine Top 3 Poetry Slammer?

Definitiv Lars Ruppel, weil er der erste war, den ich in dem Kontext gehört habe. Er macht viele Gedichte über falschverstandene Redewendungen, was unglaublich witzig ist.

Dann Kaleb Erdmann. Er macht Bühnenprosa. Sehr rotzig, sehr witzig, sehr intelligent.

Tanja Witte gefällt mir auch gut. Mittlerweile macht sie keinen Poetry Slam mehr, sondern schreibt Romane und macht Spoken Word Kunst, weil sie die Wettbewerbsatmosphäre nicht mehr mag. 


Das klingt nach einem vielseitigen Geflecht von Slammern, was du hier beschreibst. Wie würdest du die Community an sich beschreiben?

Nach oben hin immer weniger offen. In den Best-Ofs befinden sich meistens immer die gleichen Leute. Auf kleiner, lokaler Ebene gibt es viele junge Leute, die auch unterschiedlich drauf sind. 


Wie funktionieren die Wettbewerbe?

Meistens kann man sich spontan anmelden. Seinen Text muss man hierfür nicht vorher einschicken. Der Ablauf gestaltet sich relativ informell, da die Reihenfolge ausgelost wird und jeder fünf Minuten für seinen Auftritt hat. Der Gewinner wird dann durch das Publikum entschieden, in manchen Fällen gibt es zwei Runden, die mit dem Publikumsentscheid und einer Applaus-basierten Entscheidung enden. 

Ich habe aber auch schon Male erlebt, wo man spontan hinkommt und eine Schule von 20 Leuten vor Ort ist. Die Schüler haben am Tag davor natürlich schon eine Generalprobe gemacht. Die Reihenfolge ist ausgeklügelt und es gewinnt am Ende diejenige, die am meisten Familie da hat. Aber das ist dann die Ausnahme.


Würdest du sagen, man kann mit Poetry Slam sein Lebensunterhalt verdienen?

Man kann es machen, würde ich aber nicht wollen. Ich möchte in Richtung Schreiben gehen, während Poetry Slam ein Hobby bleibt. 

Was ich mir vorstellen kann wäre Drehbuch. Ich probiere es mal an der Filmhochschule. Vorher mache ich ein Jahr im Ausland. 


Was würdest du Anfängern raten?

Man sollte sich darüber bewusst werden, dass man nicht an eine Form gebunden ist. Auch wenn vieles in Gedichtform vorgetragen wird, kann man genauso gut mit einem Prosatext gewinnen. Die einzigen Regeln sind ja fünf Minuten, keine Requisiten, keine Musik und natürlich dass es selbstgeschrieben ist. 

Freunde mitnehmen ist immer gut, so macht der Slam umso mehr Spaß und es ist nicht so schlimm wenn man verliert. Da keine Angst vor Misserfolgen haben, es liegt nicht unbedingt am Vortragenden. Und es ist wenig Hass dort.


Wir danken Kim Salmon für ihre Zeit und wünschen ihr alles Gute in ihrem Freiwilligenjahr in Tschechien!

von CheshireCat

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