Düsseldorfer Jugendportal

Sprich über deine Stadt!

640 640 1000 1000 1000

Ellbogen - "Wo gehöre ich hin?"

25.09.2017

Für mich ist die Frage "Wo gehöre ich hin?" leicht zu beantworten. Ich bin in Deutschland geboren, meine Eltern auch und deren Eltern auch. Ich lebe mein ganzes Leben lang schon hier und fühle mich als ein Teil dieses Landes, dieser Kultur. Doch wenn ich die Hauptprotagonistin Hazal fragen würde, wohin sie sich zugehörig fühlt, dann würde sie mir wohl keine Antwort geben können. 

Hazal ist 17 Jahre alt, sie ist eine Deutschtürkin aus Berlin. Sie verbringt ihren Tag damit, ihre Zeit in der Bildungsmaßnahme abzusitzen und erfolglos Bewerbungsschreiben zu verfassen. Ist sie zuhause hat sie ständig Streit mit ihrer Familie und mit ihren Freundinnen kifft sie nur. Ihren Platz in Deutschland hat sie nie richtig gefunden und auch ihre Eltern sind nie wirklich in Deutschland angekommen. Von allen Seiten wird an ihr gezerrt, sie muss irgendwie allem und jedem gerecht werden.

Respekt, Liebe und Glück findet sie nirgends. Ihre Unzufriedenheit schaukelt sich beim Reden darüber mit ihren Freundinnen nur weiter hoch. Doch als wäre sie nicht schon unglücklich genug, verändert ein Abend ihr ganzes Leben. An ihrem 18. Geburtstag geht sie, trotz Verbotes seitens ihrer Mutter, mit ihren Freundinnen feiern. Der Abend eskaliert. Und zwar so heftig, dass sie am Ende vor der Polizei aus Deutschland fliehen muss. Sie flieht nach Istanbul, in die Stadt, nach der sie sich immer gesehnt hat. Doch zunehmend muss sie sich eingestehen, dass ihre Erwartungen unerfüllt bleiben. Ziellos irrt sie durch die Straßen, während der Himmel über der Türkei zusammenbricht. 

Die Premiere von Ellbogen, die am 15. September Premiere feierte und die Spielzeit auf der kleinen Bühne im Central eröffnete, war ein Theaterabend der besonderen Machart. Die vier Darstellerinnen präsentieren nahezu im Alleingang den gleichnamigen Roman, für den die Autorin Fatma Aydemir übrigens kürzlich den Preis für das beste deutschsprachige Romandebüt des Jahres 2017 erhalten hat. Das Bühnenbild bleibt den Abend über stets erhalten: Eine Reihe aus wuchtigen Lautsprecherboxen. Spannend machen sie es durch wechselnde Rollen, in die sie schlüpfen, Musik und Licht. Klingt minimalistisch, ist aber großartig gemacht. Die Taktik geht voll auf, weil die jungen Frauen das so herrlich sympathisch und abwechslungsreich machen. 

Das Stück gibt uns in ein Leben Einblick, was längst für viele Leben in Deutschland steht. Es macht nachdenklich, gerade weil es eines bewusst nicht zeigt: die Perspektive der anderen Seite. Es zeigt uns den Frust dieser jungen Frau, aus ihrer Perspektive, ganz unverpackt und unkommentiert.

Eine Inszenierung, die ich sehr empfehlen kann. Ein Abend, der teils belustigt, teils bedrückt und größtenteils eines tut, nämlich frustriert und mit der Protagonistin, so weit eben möglich, mitfühlen lässt.


Ellbogen - von Fatma Aydemir 
Regie: Jan Gehler, Bühne: Sabrina Rox, Kostüm: Claudia Irro, Komposition: Vredeber Albrecht, Licht: Konstantin Sonneson, Dramaturgie: Frederik Tiden 
Mit: Cennet Rüya Voß, Lou Strenger, Florenze Schüssler, Tabea Bettin 
Dauer der Aufführung: 2 Stunden, keine Pause 

von Marvin

Kommentar verfassen

Bitte fülle alle Felder aus die mit * markiert sind.