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Fabian oder Der Gang vor die Hunde - Als ganz Berlin auf dem Vulkan tanzte

29.11.2017

Mit Fabian oder Der Gang vor die Hunde hat Erich Kästner, berühmter Kinder- und Jugendbuchautor, 1931 in jungen Jahren sein Romandebüt gegeben. Doch Fabian, wie der Roman auch einfach nur genannt wird, ist alles andere als ein Kinder- oder Jugendroman. Es geht um die prekären Lebensverhältnisse in Berlin in den frühen 1930er-Jahren.
Die Hausregisseurin des Düsseldorfer Schauspielhauses Bernadette Sonnenbichler brachte diesen Roman am 14. Oktober in Düsseldorf zur Premiere. Eine grandiose Inszenierung, die auch überregional groß gefeiert wird. 


Worum geht’s? 

Berlin im Jahr 1931. Jakob Fabian, promovierter Germanist und derzeit als Werbetexter angestellt, erkundet das Nachtleben der Hauptstadt: die Welt der Bordelle, extravaganten Künstlerateliers und illegalen Kneipen, wobei er dort ein einigermaßen distanzierter Beobachter bleibt. Es wird getrunken, gelebt und geliebt als gäbe es kein Morgen mehr (und es gab ja auch keins). Und dann gerät er zunehmend doch selber in dieses Leben hinein: in politische Polarisierung und hemmungslose Genusssucht nach Sexualität. Er lässt sich treiben. 
Währenddessen wütet die Weltwirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit grassiert, der politische Druck von rechts wie von links steigt. Trotzdem, oder gerade deshalb, tanzt die Stadt auf dem Vulkan. Fabian aber scheint sein Leben noch unter Kontrolle zu haben. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Sein bester Freund Labude findet heraus, dass dessen Verlobte ihn betrogen hat, dass seine politischen Pläne auf Gegenwind stoßen und seine Habilitationsschrift abgelehnt wird. Fabian verliert seine Stelle als Werbetexter und findet einfach keine neue Arbeit. Er stößt seine Freundin von sich, als sie ihm erzählt, dass sie, um eine Hauptrolle bei einem Film zu erhalten, die Geliebte des Produzenten werden soll und das auch machen will. Und dann begeht sein bester Freund Labude auch noch Selbstmord. Fabian ist am Ende und flieht aus Berlin zurück nach Hause. Das Übel nimmt seinen Lauf und endet für Fabian schließlich tragisch.



Der Zuschauer blickt bei diesem Stück in einen mit Glühbirnen umkranzten Guckkasten. Die Wände schieben sich während des Theaterabends immer wieder auf und zu. Dahinter eine riesige Wand aus an Seilen hängenden Glühbirnen.  Das sorgt für ein dynamisches Bühnenbild, es bewegt sich viel. Sowohl die Wände als auch die Glühbirnen, die mal leuchten und mal auch nicht. Hauptdarsteller André Kaczmarzczyk spielt den Protagonisten Fabian fantastisch. Ebenso großartig die musikalische Jazz-Begleitung von Nico Stallmann, der am Schlagzeug ganz außen rechts im Guckkasten das Stück live untermalt. Aber dennoch gibt es auch viele Live-Einspieler, die der Musiker auch einstreut. Das Stück hat Aktualitätswert: auch wir befinden uns in einer Zeit, in der sich die Welt und die Gesellschaft verändert und sich zunehmend die Frage nach Werten, nach Moral stellt. Die Pause im Theaterabend steht da auch sinnbildlich für das Stück: vor der Pause hat Fabian noch alles im Griff und danach beginnt der Gang vor die Hunde. Großartige Unterstreichung! Und die Frage, die sich stellt: Geht hier nur ein Mann zugrunde, der sich moralisch verhalten will oder mit ihm eine ganze Gesellschaft?

Großartige Inszenierung: unterhaltsam, musikalisch, tolle Tanzmomente, das Flair der 1920er- und 1930er-Jahre füllt den ganzen Theatersaal. Und trotzdem ein Stück mit stillen Momenten, die Tiefgang erlauben. Einzig zu bemängeln, dass das Stück nicht emotionalisiert. Es hat mich persönlich nicht berührt. Dennoch aber sehr zu empfehlen!


Fabian oder Der Gang vor die Hunde - nach dem Roman von Erich Kästner - Fassung von Bernadette Sonnenbichler
Regie: Bernadette Sonnenbichler, Bühne: Wolfgang Menardi, Kostüm: Tanja Kramberger, Komposition: Jacob Suske, Choreografie: Jean Laurent Sasportes, Licht: Christian Schmidt, Dramaturgie: Janine Ortiz 
Mit: André Kaczmarczyk, Sebastian Tessenow, Judith Bohle, Cathleen Baumann, Markus Danzeisen, Michaela Steger, Thiemo Schwarz, Torben Kessler, Alexej Lochmann, Marie Jensen, Nico Stallmann 
Dauer der Aufführung: 2 3/4 Stunden, eine Pause 

von Marvin

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