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Tyll – Daniel Kehlmanns Roman feiert Uraufführung im Schauspiel Köln

21.01.2019

"Willst mir Gnadenbrot geben, kleine Liz? Eine tägliche Suppe und eine dicke Decke und warme Pantoffeln, bis ich friedlich sterbe?"
"So schlecht ist das nicht."
"Aber weiß du, was besser ist? Noch besser als friedlich sterben?"
"Sag es mir."
"Nicht sterben, kleine Liz. Das ist viel besser."

Eines Tages hat der rätselhafte Gaukler beschlossen, nicht zu sterben. Und seitdem entkommt er wieder und wieder dem Tod und lehnt abermals eine sichere dauerhafte Bleibe ab und zieht ins Ungewisse. Wenn ich vorstellen darf: Tyll Ulenspiegel. Angelehnt an die legendäre Figur des Till Eulenspiegels, die in diesem Roman neuerfunden und in eine andere zeitliche Epoche gesteckt wird. Es ist die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Das ist der Roman Tyll von Autor Daniel Kehlmann (u.a. Die Vermessung der Welt), der im Herbst 2017 erschienen ist. Am Schauspiel Köln hat sich der Intendant Stefan Bachmann diesem Roman angenommen und mit dem Dramaturgen Julian Pörksen eine eigene Bühnenfassung des Romans entwickelt und diese inszeniert. Am 15. September war die Uraufführung von Tyll, mit der Bachmann die Spielzeit 2018/19 im Schauspiel Köln eröffnet hat.

Der dämonische Spaßmacher Tyll Ulenspiegel wird Anfang des 17. Jahrhunderts als Sohn eines Müllers in einem kleinen Dorf geboren. Er wächst in extremer Armut auf und beginnt sich für Seilakrobatik und das Jonglieren zu interessieren. Sein Vater Claus ist Magier, Welterforscher und begeisterter Leser. Als Vertreter der Kirche ins Dorf kommen, gerät Claus Ulenspiegel mit der Kirche in Konflikt und wird als Hexer zum Tode verurteilt. Auch Tylls Leben ist deshalb in Gefahr und so beschließt er mit der Bäckerstochter Nele wegzulaufen. Auf seinen Wegen durch das vom Krieg gezeichnete Land begegnet er Königinnen und Königen, Gelehrten, Priester, einem sprechenden Esel, Gauklern und Dichtern und entrinnt wieder und wieder dem Tod. Die Schicksale der einzelnen Figuren fügen sich zusammen in ein Gewebe einer Gesellschaft, die von Tod und Elend durch den Dreißigjährigen Krieg gezeichnet ist. Wie gut, dass es in solchen Zeiten Narren wie Tyll gibt, die den armen Seelen wenigstens einen kurzen Glücksmoment bescheren können.

Der 474 Seiten lange Roman von Daniel Kehlmann ist ein Leckerbissen an Lesestoff, der von Kritiker_innen wie Leser_innen groß gefeiert wurde. Die Bühnenfassung von Pörksen und Bachmann übernimmt den Romantext fast wortwörtlich und streicht nur an einzelnen Stellen zusammen. Damit bleibt die große Stärke des Textes auch in der Theaterinszenierung erhalten. Es gibt nur wenige Dialoge, die Schaupieler_innen sprechen oft in der dritten Person von sich, erzählen ihre eigene Geschichten und wechseln dann in den Dialogen zwischen direkter und indirekter Rede. Das spektakuläre Bühnenbild von Olaf Altmann besteht aus einem fast knie-tiefen wässrigen Boden. Der Bühnenraum ist so tief und schwarz, dass das Wasser beinahe schwarz oder gar ölig schimmert und spiegelt. Die Düsternis wird auch durch die Lichtstimmungen unterstützt. Es bleibt fast den gesamten Abend über sehr dunkel, Licht kommt meistens von den Seiten der Bühne in Form von Lichtschranken, in die sich die Schauspieler_innen bewegen und so auch wieder aus ihnen heraustreten können. Untermalt ist das ganze durch teilweise äußerst lauten vibrierenden und wummernden Tönen. Das lässt den Zuschauer auch mal zusammenzucken. Die verschiedenen Komponenten laufen bestens ineinander über und geben eine starke Atmosphäre des zu bebildernden Romans wieder. Auch schauspielerisch ist der Abend stark. Die Darsteller_innen geben ihren Figuren eine gewisse Tiefe, die den Abgrund dieser Gesellschaft sichtbar macht. 

Ein klassischer narrativer Erzähltheaterabend, der es in rund 3 Stunden 45 Minuten immer wieder schafft, starke Bilder aus der Romanvorlage zu erzeugen und dabei niemals das Interesse des Zuschauers verliert. Für Theatermuffel wie Theatercracks sehr zu empfehlen!

***Noch mehr #Theatertipps findet ihr auf youpod.de/theater.***

von Marvin

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