Düsseldorfer Jugendportal

Sprich über deine Stadt!

640 640 1000 1000 1000

Nassim – Ein Theaterabend voller Überraschungen

02.06.2019

Ein Abend. Eine Bühne. Ein versiegelter Umschlag. Eine Schauspielerin. Keine Proben. Keine Vorbereitung. Keine Kenntnis von dem, was sich in dem geheimnisvollen Umschlag befindet. So ist die Ausgangslage an diesem ganz besonderen Theaterabend, der nach und nach zeigt, dass er voller Überraschungen steckt. Es ist ein Experiment, das die Kraft der Sprache ins Zentrum rückt und versucht, die Menschen wieder zu vereinen. Denn die rechten Bewegungen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt haben zugenommen und es wird versucht, Hass zu verbreiten, Ausgrenzungen zu etablieren und eine irrationale Angst vor "dem Fremden" (Was soll das schon sein?!) zu schüren. 

Da kommt der iranische Autor Nassim Soleimanpour gerade recht mit seinem kühnen Theaterexperiment Nassim. Es ist das neueste Werk des mittlerweile in Berlin lebenden Dramatikers, der mit seinem weltweit gefeierten und mehrfach ausgezeichneten Stück White Rabbit Red Rabbit Berühmtheit erlangte. Das Erfolgsstück wurde in 15 verschiedene Sprachen übersetzt, mehr als 1000 Mal aufgeführt und mit Weltstars auf zig Bühnen gebracht. Nun wurde Nassim zum Asphalt Festival 2019 nach Düsseldorf eingeladen, wo das Stück NRW-Premiere gefeiert hat. Gezeigt wurde es am 18. Juli in der Glashalle im Weltkunstzimmer auf der Ronsdorferstraße. Die Schauspielerin Hanna Werth, seit der Spielzeit 2014/15 festes Ensemblemitglied am Düsseldorfer Schauspielhaus, wagte den Sprung ins Ungewisse und stellte sich der Herausforderung, einen ihr unbekannten Text in Echtzeit aufzuführen. Gemeinsam mit dem Autor Nassim Soleimanpour, der ebenfalls am Bühnengeschehen teilgenommen hat, zeigte Hanna Werth, wie aus zwei Fremden innerhalb von 75 Minuten, vor den Augen der Zuschauer, zwei Freunde werden können. Und das trotz der schier unüberwindlichen Sprachbarriere: Denn seine Muttersprache ist Farsi und ihre Deutsch.

Doch noch bevor Schauspielerin Hanna Werth die Bühne betritt und zeigt, wie aus Nichts Alles werden kann, ist der Bühnenraum unspektakulär eingerichtet: Rechts ein Mikrofonständer, links ein Stuhl und ein Tisch, auf dem ein Pappkarton mit dem Namen der Schauspielerin drauf steht und ein rotes "X" in der Mitte des Bühnenbodens. Eine Videoleinwand auf der Rückwand stellt sich nach und nach als Hauptkommunikationsmittel dieses Theaterabends heraus. Die Besetzung Hanna Werths für dieses gewagte Theaterexperiment ist indes ein Volltreffer: Eine spontane, agile, sehr humorvolle und zutiefst ehrliche wie emotionale Frau, die sich beinahe fehlerfrei beim Vortragen des Textes durch den Abend kämpft und die Herausforderung mit Bravour meistert. Sie macht es dem Publikum leicht, eine Verbindung zu ihr aufzubauen und Empathie zu empfinden. Das ist sicherlich schon die halbe Miete für einen spannenden und berührenden Abend. Den anderen Teil trägt der bis kurz vor Schluss stets stumme und nur über seinen gedruckten Text und gemalte Schrift mit ihr kommunizierende Autor Nassim Soleimanpour. Seine Mimik, Gestik und nicht zuletzt sein raffiniert und geschickt konstruierter Text, der von Farsi ins Deutsche übersetzt wurde, brillieren. 

Das Prinzip des Abends lautet: Sie liest den Text vor, den sie auf der Leinwand projiziert sieht oder der auf den Blättern steht, und folgt den in kursiver Schrift geschriebenen Regieanweisungen, durch die im Prinzip der Dialog zwischen ihr und dem Autor stattfindet. Was genau in diesem Theaterstück passiert und worum es geht, lässt sich dabei nur schwer in Worte fassen. Man muss es einfach gesehen haben. Denn es entstehen wieder und wieder Momente, die teils zum Lachen bringen und teils tief berühren. Und wenn Nassim Soleimanpour am Ende des Abends seine Mutter, die im Iran lebt, anruft und Hanna Werth auf Farsi dessen Lebensgeschichte, geschickt verpackt in einer Bilderbuchgeschichte, vorliest, dann hat das ganze eine unfassbare Authentizität und emotionale Kraft, die den ganzen Zuschauerraum elektrisiert. Denn all das, was zuvor geredet, gespielt, gelernt und gezeigt wurde, setzt sich wie ein großes Puzzlespiel elegant zusammen und beglückt auf eine schier simple Art und Weise. Großer Applaus für das Duo, das am Schluss zeigt, wie es die Sprache schafft, uns miteinander zu verbinden, und wie schnell aus Fremden Freunde werden können.

von Marvin

Kommentar verfassen

Bitte fülle alle Felder aus die mit * markiert sind.