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Gegen den Hass – Thomas Jonigk bringt Carolin Emckes Essay auf die Bühne

22.09.2019

Kann man den Rechten nicht einfach den Stecker ziehen? – Eine Frage, mit der sich nicht nur die Politikerinnen und Politiker der großen demokratischen Parteien, die in den Landtagen und im Bundestag vertreten sind, jeden Tag aufs Neue beschäftigen. Der Hass hat längst Einzug genommen und ist salonfähig geworden. Doch wie können Menschen eigentlich hassen? Woher kommt der Hass? Und was bedarf es, um diese Menschen in die Schranken zu weisen? Diesen Fragen hat sich die vielfach ausgezeichnete Autorin und freie Publizistin Caroline Emcke 2016 in ihrem Essay "Gegen den Hass" gewidmet. Darin geht es um die großen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit: Rassismus, Nationalismus, Demokratiefeindlichkeit. Sie betrachtet dabei nicht nur konkrete Vorfälle der jüngeren Vergangenheit, sondern bietet auch zahlreiche Denkanstöße, Argumente und Vorschläge, wie man den sich rasant ausbreitenden Hass zurückweisen kann. Der Autor und Regisseur Thomas Jonigk hat das über 200 Seiten lange Buch von Carolin Emcke für die Bühne bearbeitet und es zum Spielzeitstart am 21. September am Schauspiel Köln zur Uraufführung gebracht. Es ist gewiss keine leichte Aufgabe, einen Essay zu dramatisieren und in eine theatrale Form zu transkribieren. Doch Thomas Jonigk hat bereits in der letzten Spielzeit mit seiner Theaterbearbeitung und Inszenierung der hybriden Erzählung "Rückkehr nach Reims" von Didier Eribon bewiesen, dass er es schafft, einen auf den ersten Blick schwer zu dramatisierenden Text anschaulich und packend zu bebildern. "Gegen den Hass" erweist sich daher also als ein spannendes Experiment direkt zu Beginn der noch jungen Spielzeit 2019/20 in Köln.

Der Theaterabend fällt prompt mit der Tür ins Haus und präsentiert eine absurdere Szenerie: Ein Beerdigungsinstitut oder eine Pathologie, in der ein männlicher Toter auf einer metallischen Liege hineingerollt wird und einzelne andere Menschen in weißer Pfleger-Kleidung mit Schürze um die Leiche herumwirbeln. Dabei wird die Unterhaltung nach und nach hitziger und der Tote gerät aus dem Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Denn schließlich geht es um Hass und Ausgrenzung, Ignoranz und das Gefahrenpotenzial für die Ausgegrenzten und unsere gesamte Gesellschaft. Emckes Text wird dabei aber nicht einfach nur vorgetragen wie bei einer szenischen Lesung. Stattdessen zeichnet Jonigk absurde Bilder: Er lässt einen großen, haarigen Affen auftreten, seine fünf Spieler*innen unter tierischen Masken verschwinden, eine wilde Techno-Party feiern, die jüngsten Wahlergebnisse der nationalistischen Parteien von Europa vortragen und komponiert aus "Wir sind das Volk" einen Endlosschleifen-Hit. Unterlegt ist das Bühnenspiel mit einer Auswahl an klassischer Musik, die im totalen Widerspruch zu den teils widerlichen Äußerungsformen des Hasses steht. 

So zieht der kurzweilige Theaterabend seine Kreise, präsentiert laufend neue Settings und arbeitet mit verschiedenen theatralen Mitteln, um den Essay erlebbar zu machen. Und das gelingt Regisseur Thomas Jonigk weitestgehend hervorragend und macht Lust darauf, sich Carolin Emckes Buch zu kaufen und bei einem Glas Wein und klassischer Musik vollständig zu Gemüte zu führen. 


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von Marvin

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