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Henry VI & Margaretha di Napoli – Ein König, der nie König sein wollte

09.01.2020

William Shakespeare schrieb neben seinen zahlreichen Komödien, Tragödien und Versdichtungen auch zehn Historiendramen - darunter das Königsdrama HENRY VI., das aus drei Teilen besteht und in Zusammenarbeit mit Christopher Marlowe entstanden ist. Der flämische Autor und Performer Tom Lanoye ist Spezialist für die Shakespeare-Königsdramen und entwickelte 1997 gemeinsam mit dem belgischen Starregisseur Luk Perceval mit SCHLACHTEN! eine Adaption sämtlicher Königsdramen. Herausgekommen ist dabei ein zwölfstündiges Bühnenspiel, das bei den Salzburger Festspielen und im Deutsches Schauspielhaus Hamburg deutsche Erstaufführung feierte. Nun hat sich Tom Lanoye für das Düsseldorfer Schauspielhaus nochmal mit einem ganz bestimmten Königsdrama auseinandergesetzt und daraus ein neues Theaterstück geschrieben: HENRY VI & MARGARETHA DI NAPOLI. Regie führte der Opern- und Schauspielregisseur David Bösch, der mit dieser Inszenierung seine erste Arbeit in Düsseldorf vorlegt. Premiere war am 14. Dezember im Großen Haus.

Henry VI ist noch ein Kind als sein Vater Henry V, der charismatische Heldenkönig, stirbt und die Krone auf ihn übergeht. Je älter der Thronfolger wird, desto stärker ranken sich die anderen Persönlichkeiten am Hof um ihn und versuchen mit aller Kraft auf sein Machtpotential einzuwirken. Der Junge wächst in einer Zeit heran, in der die Französin Jeanne d'Arc den Briten ordentlich zusetzt. Aus ihm wird ein ehrbarer und guter Mann, dem die Krone aber einfach nicht passen will. Im Gegensatz zu seinem Vater bleibt er ein schwacher König, der sich lieber in Büchern wälzt als sein Land zu regieren. Margaretha, die Prinzessin von Neapel, allerdings, die an den Hof kommt und die Frau an seiner Seite wird, ist durch und durch ein Machtmensch. Sie weiß, wie sie sich ihre Position am Hof zu erkämpfen hat, und setzt alles daran, die Krone, die ihr Mann nicht will, für ihren Sohn zu verteidigen.

Autor Tom Lanoye hat die drei Teile des Königsdramas und RICHARD III zu einer kompakten Fassung gebracht, die David Bösch in drei Stunden zu einer dichten Erzählung inszeniert hat. Das Spiel ist einen schwarzen, düsteren Bühnenraum gehüllt, über dem eine riesige metallische Krone schwebt. Es ist jene Krone, die einst bereits bei MACBETH von William Shakespeare in der Regie von Jürgen Gosch Teil des Bühnenbildes war und nun ihren Weg aus dem Fundus zurück auf die Bühne im Großen Haus gefunden hat. Bösch nutzt zu dem die gesamten Funktionen, die die Bühne zu bieten hat: drehen, heben und senken. Mittels weniger weiterer Elemente im Bühnenbild und der Requisite lassen sich immer neue Orte kreieren. Dabei arbeitet er vor allem mit verschiedenen Lichtstimmungen, Nebel und Musik, die Karsten Riedel (zuletzt DIE ENTDECKUNG DES HIMMELS, Regie: Matthias Hartmann) atmosphärisch komponiert und ausgewählt hat. 

Wie immer glänzt das fantastische Ensemble des Düsseldorfer Schauspielhaus, aus dem neben André Kaczmarczyk (King Henry VI) vor allem die beiden Frauen Sonja Beißwenger (Margaretha di Napoli) und Minna Wündrich (Leonore) herausstechen. Es macht große Freude die Schauspielerinnen und Schauspieler zu beobachten, wie sie in all ihrer Wandlungsfähigkeit in die Figuren hineinschlüpfen und uns ihre Charaktere und Intentionen kenntlich zeigen. Bösch folgt der Interpretation Lanoyes und will es sich nicht leicht machen, in dem er King Henry VI als Verrückten darstellt, der es aufgrund seiner psychischen Labilität nicht hinbekommt, König zu sein. Stattdessen sehen die Zuschauer einen Thronfolger, dem die Krone einfach zu schwer ist und nicht passt, einer der nicht König sein will und es auch nie sein wollte. Nicht er scheint der Verrückte in diesem Spiel zu sein, sondern alle anderen Figuren, die wie Wahnsinnige an dem weißen Unschuldslamm ziehen und zerren. Gerade im zweiten Teil des Abends legen die Figuren wie auf einem Schachbrett ihre Intentionen offen und kämpfen aufs letzte Tropfen Blut um die Krone. Es fließt viel Kunstblut und mehr als ein Kopf rollt vor dem Ende einer Bowlingkugel gleich über die Bühne. 

Vor allem nach der Pause wechseln sich berührende Szenen mit spitzem Humor und reichlich Schwertkämpfen perfekt ab. Die Inszenierung fesselt und besticht vor allem auch über die Sprache des Textes, die irgendwo zwischen Shakespeare und Lanoye zu verorten ist. Ein großartiger Theaterabend mit einem gelungenen Gesamtpaket aus Unterhaltung, Emotionalität und Tiefgründigkeit.

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von Marvin

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