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Verhaftung in Granada – Doğan Akhanlıs Lebensstoff uraufgeführt

28.02.2020

2017 wird der türkischstämmige deutsche Schriftsteller Doğan Akhanlı während eines Urlaubs mit seiner Lebensgefährtin im spanischen Granada verhaftet – und das trotz deutscher Staatsbürgerschaft. Die Türkei hatte ihn über Interpol zur Festnahme ausgeschrieben. Einen Tag später wurde Akhanlı zwar freigelassen, durfte Spanien aber bis auf weiteres nicht verlassen. Erst zwei Monate später durfte er nach Deutschland zurückkehren. Die Verhaftung in Granada war Akhanlıs vierte Verhaftung in seinem Leben. Sie zeigt, wie lang der Arm der türkischen Justiz sein kann. Vier Monate nach seiner Rückkehr veröffentlichte Akhanlı eine autobiografische Erzählung über seine Haftzeit mit dem Titel VERHAFTUNG IN GRANADA, die nun am Schauspiel Köln, in seiner Wahlheimat, in der Außenspielstätte am Offenbachplatz uraufgeführt wurde. Regie führte Nuran David Calis, der zuletzt HERERO_NAMA im März 2019 in Köln inszenierte. In seiner neuesten Regiearbeit widmet sich Calis mit Doğan Akhanlıs Lebensstoff exemplarisch einem Menschen, die sich in die lange Liste der in der Türkei inhaftierten Journalisten, Schriftsteller und Regierungs-Kritiker einreiht.

Regisseur Nuran David Calis hat das Buch für die Bühne adaptiert. Die Geschichte setzt in der Kindheit Akhanlıs  an und führt über die Jahrzehnte seines Lebens bis zur Verhaftung in Granada, seiner anschließenden Freilassung und Rückkehr nach Köln. Die Bühne ist in schwarz-weiß-graue Farbtöne getunkt. Gearbeitet wird hauptsächlich mit weißem Licht und das Bühnenbild mit einem zentralen Element in der Mitte und vielen kleinen Nebenschauplätzen dekonstrukiert. In der Mitte steht ein drehbarer quadratischer Raum, der an zwei Seiten offen und an zwei Seiten mit Tür und riesiger Fensterfront geschlossen ist. Daran angebaut ist ein herausragender Schreibtisch mit Laptop. Rundherum sind kleine Szenerien, wie eine Matratze, ein Kaffeeautomat, eine Sitzbank und ein Verhört-Tisch. Verbunden und vergrößert werden diese mittels einer Live-Videoprojektion auf eine weiße Leinwand, die links vorne über der Bühne schwebt. Zu Beginn ist es Schauspieler Stefko Hanushevsky, der mit Brille und Jacket Doğan Akhanlı verkörpert. Im Laufe des Abends wechselt das dreiköpfige Ensemble untereinander im Eiltempo die vielen Rollen – und wer Brille und Jacket trägt, wird zu Akhanlı. 

Für die Folterszenen, die Akhanlı in seinem Buch sehr detailliert beschreibt und welche folglich schwierig auf die Bühne zu bringen sind, findet Calis ein eindringliches Bild: Im hinteren Teil der Bühne, eingefangen von der Kamera, lehnt immer wieder einer der Schauspieler nackt an der Wand und krümmt sich in Zeitlupe gen Boden. Grundsätzlich findet Calis hier verschiedene Erzählsprachen: Mal wird Akhanlıs Text in konzentrierten Monologen vorgetragen, mal mit dem gesamten Ensemble einfach bebildert und mal in richtigen Spielszenen gezeigt. Über all dem liegen immer wieder melancholische Klavierklänge, die die große Bedeutung und Dramatik der Szenen teils überzeichnen. Unterbrochen wird das Stück immer wieder von Einschüben der Ensemblemitglieder, die persönliche Erfahrungsberichte aus der Probenzeit in die Kamera sprechen. Das ist durchaus ein angemessener Kommentar, zu Akhanlıs Lebensstoff, der hier auf der Bühne gezeigt wird, und fügt sich doch nur grob und etwas spröde in den Theaterabend ein. Die aufgelegte atmosphärische Schwermütigkeit wirkt sich dann auch auf die teils humoresk zugespitzten Szenen aus. Am Ende stehen die drei Schauspieler dann geschlossen vor der Kamera und verlesen einen eigenen Kommentar zu der politischen Lage und dem durchaus politisch motivierten Vorgehen der Türkei. Dann werden die Namen jener Menschen in den Raum geworfen, die wie viele andere Journalisten, Schriftsteller und Regierungs-Kritiker in der Türkei derzeit inhaftiert sind. Auch nachdem das Licht ausgegangen ist, hallen ihre Namen nach. Denn Doğan Akhanlı, der an diesem Abend selbst im Publikum sitzt und sich beim Schlussapplaus den Zuschauern vorstellt, ist nur eines dieser Opfer von vielen. Die Krise hält weiter an.


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von Marvin

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