Schule, Uni, Job
Corona verkürzte mein "weltwärts"-Jahr in Südafrika
12.08.2020
Ich habe im Rahmen des staatlich geförderten "weltwärts"-Programms einen Freiwilligendienst in Südafrika absolviert. Aufgrund der Corona-Pandemie habe ich anstatt der geplanten zwölf Monate nur acht in meiner Einsatzstelle verbringen können. Wie meine Aufgaben aussahen, welche Schwierigkeiten mir begegnet sind und was ich gelernt habe, beschreibe ich euch hier.
Alles fing mit dem Vorbereitungsseminar in Deutschland an. Meine Entsendeorganisation, das "Deutsch-Südafrikanische Jugendwerk e. V. (DSJW)", hat ein einwöchiges Seminar vorbereitet, das den zukünftigen Freiwilligen die Möglichkeit gab, die anderen Mitfreiwilligen und das Projekt genauer kennenzulernen. Wir wurden außerdem auf eventuelle Schwierigkeiten vorbereitet, haben einen Crashkurs in Setswana (eine von elf südafrikanischen Sprachen) bekommen und hatten alles in allem eine sehr spaßige und lehrreiche Zeit.
Einige Monate später ging es auch los. Schon saß ich im Flieger in ein neues und unbekanntes Land, das für das kommende Jahr mein Zuhause sein sollte. Die ersten Wochen waren rückblickend betrachtet sehr anstrengend. Jeder Schritt war neu und jede kleine Handlung musste überdacht werden, selbst einfache Kleinigkeiten, denen man in Deutschland keine Beachtung schenken würde, wurden hier zur großen Herausforderung. Nimmt man sich einen zweiten Teller mit Essen nach oder wirkt das komisch? Schließt man in der Nacht die Haustür ab oder ist das paranoid? Zieht man jetzt eine kurze Hose an oder wirkt das zu freizügig? Mit den Wochen habe ich aufgehört mir über alles und jeden Gedanken zu machen und bin im Umgang mit den Einheimischen selbstbewusster geworden. Diese waren zu Beginn eher zurückhaltend und schüchtern, haben sich aber mit der Zeit an meine Mitfreiwillige und mich gewöhnt.
Am schnellsten konnten wir mit den Kindern das Eis brechen. Sie haben schnell Vertrauen gefasst, was vermutlich auch daran liegt, dass wir täglich Zeit mit ihnen verbracht haben. Wir haben ihnen deutsche Spiele beigebracht wie "Blinde Kuh", "Die Reise nach Jerusalem" oder "Chinesische Mauer". Wir haben mit den Kindern angefangen, einen eigenen kleinen Garten aufzubauen und zu bewirtschaften. Jeden Morgen haben wir zusammen die Pflanzen gegossen und den Kindern beigebracht, wie man sich sein eigenes Essen anbauen kann. Mit den älteren Kindern, haben wir Schreibübungen gemacht und ihnen die ersten Zahlen beigebracht.
Es gab auf jeden Fall anstrengende Situationen mit den Kindern, die unsere Grenzen ausgetestet haben, aber ich habe sie unendlich lieb gewonnen. Besonders ist mir der Moment in Erinnerung geblieben, in dem das kleinste Baby mit meiner Hilfe seine ersten Schritte getan hat.
Darüber hinaus haben wir die Gärtnerinnen beim Ernten und Anbauen des Gemüses und der Kräuter unterstützt. Wir haben gelernt, bestimmte Kräuter, die für die hauseigene Tee- und Kräutersalz-Produktion benötigt wurden, zu ernten und zum Trocken auszulegen und anschließend in die dafür vorgesehenen Behältnisse zu füllen. Diese haben wir dann in den Verkaufsladen geräumt und an Gäste verkauft.
Außerdem haben wir eine Recycling-Area aufgebaut und versucht, den Müll, der dort in Massen auftritt, zu sortieren. Nie wurde mir langweilig, unsere Chefin war immer mit einer neuen Aufgabe zur Stelle.
Die Wochenenden hielten ganz andere Abenteuer bereit. Wenn ich das Dorf verlassen wollte, musste ich auf eher außergewöhnliche Transportmittel zurückgreifen. Meistens bin ich getrampt (eine vollkommen normale Fortbewegungsmöglichkeit in Südafrika) oder mit einem Sammeltaxi gefahren. So kam es, dass ich mal auf der Ladefläche eines Autos mit einer Hyäne mitgefahren bin oder in einem extrem überfüllten Taxi bei 40 Grad und Technomusik. Es hat immer Spaß gemacht die anderen Freiwilligen in ihren Projekten zu besuchen, übers Wochenende nach Johannesburg zu fahren oder in den nahegelegenen Pilanesberg-Nationalpark.
Ich habe innerhalb kürzester Zeit so viel erlebt und gesehen, dass die Monate nur so an mir vorbeigeflogen sind. Deswegen war es auch so ein großer Schock, als die Corona-Pandemie uns zu einer früheren Rückkehr zwang. Aus dem Nichts musste ich mein Leben in Südafrika beenden, mich von meiner neu gewonnenen Familie verabschieden und ins Flugzeug steigen.
Nach dem ersten Schreck und einer längeren Eingewöhnungszeit zurück in Deutschland kann ich sagen: Ich habe mich durch die vergangenen Monate weiterentwickelt. Das hört sich zwar immer so platt an, aber es stimmt wirklich. Ich habe das ganze Jahr über Neues gelernt, bin über meine Grenzen hinausgegangen und habe tolle Erfahrungen gemacht. Aber nichts davon hat mich wohl so viel gelehrt und mich persönlich in meiner Entwicklung und meinem Sein so weitergebracht wie dieser Abbruch. Zwar lief das alles nicht so glücklich und einfach und definitiv nicht so geplant ab, wie ich es mir vorgestellt habe, aber ich glaube, wenn ich das Jahr ganz normal im August beendet hätte, hätte ich sehr vieles nicht gelernt.
Ich konnte so (nicht ganz freiwillig) viele Dinge mitnehmen, die mich mein ganzes Leben lang begleiten werden. Ich habe gelernt, dass man das Leben nicht durchplanen kann. Träume und Pläne sind zwar schön und gut, können aber von der Realität abweichen. Trennungen und Schmerz gehören zum Leben ebenso dazu wie die schönen Momente. Oftmals sind es die nicht geplanten und schwierigen Lebenssituationen, die einen wachsen lassen und dich stärken. Jetzt verstehe ich meinen Mentor, der zu Beginn des Freiwilligenjahres Folgendes gesagt hat : "Wenn dieses Jahr reibungslos und ohne Probleme vorübergeht, habt ihr nichts gelernt."
Ich bin unendlich froh über die Zeit, die ich in Südafrika verbringen durfte und über die tollen Menschen, die ich jetzt und hoffentlich für immer in meinem Leben haben werde. Ich weiß, ich werde immer wieder zu diesem Ort zurückkehren und kann mich glücklich schätzen, dass dieses kleine Dorf in Südafrika für immer mein zweites Zuhause sein wird.
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