Die Toten – Barbara Frey entlockt James Joyces Worten das Musikalische
03.09.2021
Die Musik gilt als etwas universell Verständliches, das sich über Sprachbarrieren hinwegsetzt und von jedem und jeder ins Urmenschliche übersetzt werden kann. Gerade im Sprechtheater, wo es oftmals keine Übertitel gibt (anders bei der Ruhrtriennale), kann man durchaus Verständnisprobleme bekommen, wenn die Aufführung weder in der eigenen Muttersprache noch einer anderen Sprache, die man beherrscht, stattfindet. "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", schreibt Hermann Hesse in seinem Gedicht "Stufen". "Jedem Satz wohnt ein Rhythmus inne", könnte die schweizerische Regisseurin und Ruhrtriennalen-Intendantin dem entgegnen, die aus den Worten von Joyces Roman "Die Toten", angereichert mit weiteren Texten aus Joyces "Ulysses" und "Finnegans Wake", ihre Musikalität herausfiltert. Entstanden ist daraus ein hoch atmosphärischer, musikalischer und stets düsterer Abend, der bereits im Mai 2019 am Schauspielhaus Zürich deutschsprachige Erstaufführung feierte und nun in der Jahrhunderthalle Bochum erstmals in Deutschland zu sehen war.
Auf der Bühne stehen fünf Schauspieler*innen in schwarzen Fracks, die zu Beginn als Pulk und auf leisen Sohlen die Drehbühne betreten, auf die drei schwarze, dunkle Räume gebaut sind. Galant und unauffällig bewegt sich das Ensemble durch Esszimmer, Musizierzimmer und Korridor und überführen die Sprache, die Autor James Joyce in seinen Texten verwendet, in das Musikalische. Daraus entsteht sowohl Sprechgesang als auch musikalische Gesangsexkursionen, die den Rhythmus und den Klang der Sprache betonen und sich daran entlanghangeln. Begleitet wird der Gesang von einem Klavier und Schlagwerken, die sich mit dem Text zu einem atmosphärischen Klangteppich verbinden. Eine beeindruckende Herangehensweise an Joyces Werke, die sich allerdings nicht den gesamten Abend über hält. Das anfänglich soghafte, gerade forciert durch das dunkle, schwere und langsame Geschehen auf der Bühne, wird führt nach und nach zu einer Lähmung und Müdigkeitserscheinungen. Träge und schleppend zieht sich der Abend dann hin, weil die überraschenden Momente rar sind und erst im letzten Viertel der Inszenierung wieder Früchte trägt und zum Aufwachen und Mitschweben einlädt.
Auch inhaltlich bleibt der Abend rätselhaft und teilweise durch Aug' und Ohr wenig durchdringbar. Wie Fremdkörper wirken die Auszüge aus den weiteren Texten von James Joyce, die Frey mit dem titelgebenden Roman verwebt. Völlig unklar bleibt die Entscheidung für diese Ergänzung, vielleicht war es der Wille, einen größeren Bogen durch die Joyces Werke und der Musikalität seiner Sprache zu schlagen. Und so bleibt von Handlung und Inhalt wenig über, aber Rhythmus und Atmosphäre umso länger im Kopf.
Weitere Vorstellungen am 4. September um 20 Uhr und am 5. September um 18 Uhr. Tickets und mehr Informationen findet Ihr hier.
Kommentar verfassen