Das Wort Rechtsextremismus ist in aller Munde und doch wissen die wenigsten, was und wer sich alles dahinter verbirgt. Hier bekommt ihr eine Einführung ins Thema.
Wundert euch nicht, wenn ihr auf verschiedene Definitionen für "Rechtsextremismus" stoßt – der Begriff ist mehrdeutig und unpräzise und in der Wissenschaft umstritten. Trotzdem lässt sich rechtsextremistisches Denken auf einen Kern reduzieren: Es lehnt die Freiheit und die Gleichheit (bzw. Gleichwertigkeit) aller Menschen grundsätzlich ab. "Rechtsextremismus" ist eine Kombination verschiedener Einstellungen – und einige von ihnen sind bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein verbreitet.
Konsens-Definition für Rechtsextremismus
Bis heute streiten Experten um eine Definition des Begriffs "Rechtsextremismus". Aus Anlass einer breit angelegten Bevölkerungsumfrage zum Thema bat die Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahr 2006 elf führende Sozialwissenschaftler, sich auf eine Beschreibung zu einigen. Dies kam dabei heraus:
"Der Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen."
Kombination aus inhumanen Einstellungen
Rechtsextremistisches Denken ist also eine Kombination von verschiedenen, inhumanen Einstellungen, beispielsweise Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus, von Sexismus (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts), Autoritarismus (Befürwortung einer Diktatur) und Chauvinismus (der Glaube an die Überlegenheit der eigenen Gruppe). Rechtsextremisten meinen zum Beispiel, dass die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer ethnischen Gruppe von größter Bedeutung für ihn ist, dass jede und jeder seine Fähigkeiten, sein Verhalten, sein Denken vorbestimmt. Völkische Rechtsextremisten – beispielsweise in der NPD – fordern explizit, dass jeder Einzelne sich und seine Interessen dem Kollektiv ("der Volksgemeinschaft") unterzuordnen hat. Oft beziehen sie sich positiv auf den Nationalsozialismus, dessen Verbrechen sie dabei relativieren (siehe: Revisionismus).
Elemente rechtsextremer Ideologien sind in der Bevölkerung weit verbreitet; in gewissem Sinne ist der Begriff "Rechtsextremismus" deshalb irreführend, weil er suggeriert, dass er bei einer kleinen, extremen Gruppe am Rand der Gesellschaft vorhanden ist. Eine Studie des Sinus-Institut 1979/80 im Auftrag der Bundesregierung ermittelte einen Anteil von 13 Prozent der Bundesbürger mit einem geschlossenen, rechtsextremistischen Weltbild, darüber hinaus hätten 37 Prozent der 7000 Befragten eine autoritäre Einstellung gezeigt, die die Forscher als "Brücke nach rechts" bewerteten.
Rechtsextremismus ist weit verbreitet
Kurz nach der Wiedervereinigung ergaben vergleichende Untersuchungen in Ost- und Westdeutschland noch, dass rechtsextremistische Einstellungen in den neuen Ländern weniger verbreitet waren als in den alten. Dieses Verhältnis hat sich inzwischen geändert, was sich auch an den Wahlerfolgen der NPD in Ostdeutschland zeigt. Die bereits erwähnte Studie der Ebert-Stiftung ("Vom Rand zur Mitte") ergab hohe Zustimmungen zu rechtsextremistischen Aussagen in ALLEN Bundesländern und in ALLEN gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen – Rechtsextremismus ist also kein Ost- und auch kein Jugend-Problem. 26 Prozent der Befragten stimmte beispielsweise der Aussage zu: "Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige, starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert." 37 Prozent sahen in Ausländern vor allem Sozialschmarotzer, 18 Prozent hielten "den Einfluss der Juden" für "zu groß". Übrigens sind Ausländerfeindlichkeit und Diktaturbefürwortung im Osten weiter verbreitet als im Westen, dagegen werden Antisemitismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus häufiger von West- als von Ostdeutschen vertreten.
Die größte Studie zum Thema läuft seit 2002 an der Universität Bielefeld: Über zehn Jahre erforschen die dortigen Wissenschaftler das gesellschaftliche Klima in Deutschland, ihre Ergebnisse veröffentlichen sie jährlich in Buchform ("Deutsche Zustände", Suhrkamp Verlag). Sie sprechen nicht von "Rechtsextremismus", sondern von "Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" – eben weil Rechtsextremisten ihre Ablehnung bestimmter Menschen mit deren (tatsächlicher oder unterstellter) Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen begründen. So untersucht die Bielefelder Studie die Feindschaft beispielsweise gegenüber Fremden, Juden, Obdachlosen, Behinderten, Muslimen oder Frauen – und kann ebenfalls zeigen, dass die Diskriminierung solcher Personen von großen Teilen der Bevölkerung geteilt wird.
Rechtsextremistische Einstellungen führen allerdings nicht automatisch zu rechtsextremistischem Verhalten. Bei weitem nicht alle Bürger mit rechtsextremem Weltbild geben bei Wahlen ihre Stimme auch wirklich rechtsextremistischen Parteien. Die wenigsten Rechtsextremen (am ehesten noch junge Männer) setzen ihre menschenfeindlichen Ansichten auch in Gewalttaten um. Wahlergebnisse beispielsweise der NPD oder die Zahlen für rechtsextreme Kriminalität spiegeln deshalb das Problem nur unzureichend wieder.
Verschiedene extreme Gruppen
Die organisierte extreme Rechte besteht aus vielen verschiedenen Gruppen und Strömungen, die sich in der ideologischen Ausrichtung unterscheiden – die teils miteinander kooperieren, teils konkurrieren oder sich gar direkt bekämpfen. Zur Beschreibung ihres Charakters werden oft die noch unschärferen Begriffe "rechtsradikal" oder "rechtspopulistisch" verwendet – präziser wäre es, die jeweils vorhanden Elemente extrem rechten Denkens zu benennen, also von "rassistischen", "antisemitischen" oder "autoritären" Gruppen zu sprechen.
Wenn ihr mehr zum Thema erfahren wollt, könnt ihr hier weiterlesen: www.netz-gegen-nazis.de.
Die Broschüre "Klickt's? Geh Nazis nicht ins Netz" von jugendschutz.net gibt Tipps, wie man dem Rechtsextremismus im Internet begegnen kann. jugendschutz.net
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