Freizeit
Virtual Reality auf der Gamescom 2016 im Test
22.08.2016
"2016 ist der erste große Start für Virtual Reality"
"Virtual Reality ist die Zukunft der Spielindustrie", so scheint es auf der Gamescom von Halle zu Halle zu tönen. Mit spezieller Hardware taucht der Spieler so intensiv wie noch nie in das Spiel ein. So sollen sich für Entwickler neue Möglichkeiten eröffnen, Videospiele noch realer zu gestalten. Auf der Gamescom 2016 in Köln gibt es die Möglichkeit, die neue Technik selbst einmal zu erleben. youpod-Reporterin Lena hat sie getestet.
"Viele Regeln funktionieren gar nicht wie gewohnt in VR – das ist teils noch Neuland"
In der langen Schlange vor einem der vielen Aussteller auf der Messe werfe ich einen Blick auf ein Dutzend Leute, die mit schwarzen Kästen vor den Augen allerlei Verrenkungen vollführen. Etwas belustigt, aber dennoch neugierig bin ich also entsprechend, als ich zu einem Terminal geführt werde. Routiniert erklärt mir ein junger Mann von Crytek das Spielprinzip und die Hardware, bevor ich das erste Mal eine Virtual-Reality-Brille aufsetze und das Spiel "The Climb" beginnt.
Virtual Reality, kurz VR, bedeutet beim Spielen, dass der Spieler mit Hilfe eines Computers eine künstlich erzeugte Umgebung wahrnehmen kann. Von der Außenwelt bekommt er dann nichts mehr mit. Momentan dienen noch ein oder zwei Controller zur Steuerung von Bewegungen und Interaktionen wie Zugreifen und Berühren von Gegenständen, in Zukunft kann es vielleicht aber auch ohne solche Hilfen funktionieren. Der Spieler lenkt sein Sichtfeld durch Bewegen des Kopfes.
Von außen sieht das Ganze ziemlich komisch aus, da der Kopf dauernd gedreht und die Hände bewegt werden, ohne dass für Außenstehende ersichtlich ist, was es zu sehen und zu greifen gibt. In früheren Entwicklungsstufen kam es dadurch oft zur sogenannten "Motion Sickness" ("Bewegungskrankheit"), etwa zum Verlust der Orientierung, Schwindelanfällen oder sogar Übelkeit.
"Wir haben Motion Sickness praktisch ausgeschaltet – bis auf etwas Höhenangst"
Plötzlich sehe ich vor mir nur noch den großen Berg, auf dessen Spitze ich klettern werde. Zum Klettern bekomme ich zwei kleine Controller in die Hand gedrückt. Ich soll auf den hinteren Knopf drücken, um mich festzuhalten. Viel mehr Erklärungen gibt es nicht. Den Arm ausstrecken, festhalten und hochziehen. Klingt erst mal recht einfach. Nur meine Höhenangst meldet sich jetzt schon, weil alles so real wirkt.
Die Steuerung erweist sich als wirklich leicht. Alles geht intuitiv. Schauen, greifen, ziehen. Schnell komme ich voran und auch meine Angst lässt nach. Trotzdem schrecke ich jedes Mal zusammen, wenn ich den Stein nicht richtig greifen konnte und herunterfalle. Es wirkt alles einfach sehr authentisch. Die Grafik ist unglaublich detailgetreu. Ich sehe die einzelnen Falten "meiner" Hände und die verschiedenen Texturen der Steine. Selbst kleine Details wie kleine Insekten und Pflanzen wirken, als wären sie so wie ich aus der realen Welt hinein teleportiert worden. Selbst der von den Entwicklern versteckte Gartenzwerg lässt sich herunterwerfen.
"Eine langsame, aber gesunde Weiterentwicklung"
Momentan arbeiten die drei großen Anbieter Sony, Oculus und HTC an der Entwicklung und Vermarktung ihrer Brillen. Der große Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Firmen sorgt dabei für eine schnelle Weiterentwicklung dieser Technik in der Videospielbranche. Waren in den letzten Jahren kaum mehr als Filme mit der VR-Brille möglich, sind es dieses Jahr schon komplexe Videospiele. Teuer ist die Technik aber nach wie vor: Zwischen 400 und 800 Euro müssen Spieler ausgeben, um sich die virtuelle Realität nach Hause zu holen. Eine aktuelle und leistungsstarke Grafikkarte vorausgesetzt.
"VR-fähige Grafikkarten werden in den kommenden Jahren immer erschwinglicher werden", erklärt mir Bastian Thun, der Community Manager von Crytek. Er ist fest davon überzeugt, dass sich die Technik durchsetzen wird und immer mehr Menschen in Kontakt mit Virtual Reality kommen werden. "Die Menschen sind begeistert. Berührungsängste gibt es so gut wie keine", berichtet er, "und falls doch, lassen sich die meisten zu einem Test überreden und sind danach fasziniert von 'The Climb'."
"Manche Spielprinzipien sind einfach wie gemacht für VR"
Die Spiele sind dabei so unterschiedlich wie die "normalen" Videospiele auch. Es gibt Sport-Spiele wie "The Climb", bei dem man in verschiedenen Szenarien einen Berg erklimmt, indem man wie beim realen Klettern seine Arme bewegen muss, um Halt zu finden. Aber es gibt auch Fantasy-Spiele wie "Eagle Flight" (Ubisoft), bei dem die Spieler als ein Team aus Adlern einen Hasen als Beute zum Nest bringen und die Gegner an selbigem durch Attacken hindern müssen. In dem Adventure-Spiel "Robinson: The Journey" (Crytek) entdeckt man als gestrandeter Astronaut einen Planeten, muss dort Missionen erfüllen und dabei beispielsweise gefährlichen Dinosauriern aus dem Weg gehen. Zudem gibt es an Sonys Stand Einblicke in den Entwicklungsstand vieler weiterer Spiele.
Ich klettere, beobachte und springe immer höher, bis ich irgendwann ganz oben auf den Alpen stehe und das Tal unter mir betrachten kann. Vögel fliegen entlang und ganz unten fließt ein kleiner Fluss. Dann wird mein Sichtfeld schwarz und ich werde angewiesen die Brille abzusetzen. Ich bin etwas durcheinander, habe kein Gefühl dafür, wie lange ich geklettert bin. Zu sehr war ich im Spiel drin. Wirklich nur 15 Minuten? Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Ich war noch nie so eingenommen von einem Videospiel. Es ist ein vollkommen neues Spielgefühl, das wirklich Potential hat.
Von Lena Sauermann und Johannes Hoffmeier
(Ein Interview mit "Crytek" findet ihr im Video.)
Kommentar verfassen