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Die schmutzigen Hände – Doppeltes Spiel in der Sartre-Inszenierung

17.02.2019

Was für eine Angst du hast, dir die Hände schmutzig zu machen! Bitte, bleib sauber! Aber wem wird es nützen? Reinheit! Das ist etwas für Mönche – für Fakire... Nur, ihr Intellektuellen, ihr bürgerlichen Anarchisten, ihr nehmt das zum Vorwand, um nichts zu tun. Ihr steht in der Ecke, untätig, tragt Handschuhe! Ich habe schmutzige Hände! Bis zum Ellbogen – Blut ... und Scheiße – wie zum Teufel soll man es anstellen, ohne sich schuldig zu machen?

Welche politische Verantwortlichkeit trägt ein Einzelner und wie steht es um das Verhältnis von einem ideellen Ziel und der realen Lage? Kann man das "Richtige" tun und am Ende an die Macht kommen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen? Und kann es eine politische Tat geben, die frei von jeglichen persönlichen Motiven ist? Diese Fragen stellt sich der französische Schriftsteller und Philosoph Jean-Paul Sartre in seinem Drama Die schmutzigen Hände, das 1948 erschienen und im selben Jahr in Paris uraufgeführt wurde. Regisseur Bastian Kraft hat diesen Stoff nun für das Schauspiel Köln als doppeltes Spiel inszeniert. Premiere war am 25. Januar im Depot 1.

Der zweite Weltkrieg ist in vollem Gange und auch der fiktive Staat Illyrien wird von den deutschen Faschisten besetzt. Hugo, ein junger Mann, tritt dem rechten Flügel der Kommunistischen Partei bei, um mit seiner Herkunft aus bürgerlichem Hause endgültig zu brechen. Von dem Führungsmitglied des radikalen Flügels erhält er den Auftrag, den Parteisekretär Hoederer zu eliminieren. Hoederer strebt nämlich ohne Zustimmung seiner Partei eine Koalition mit dem bürgerlichen und nationalistischen Lager an. Doch Hugo zögert, denn vor ihm steht ein höchst charismatischer Machtmensch, zu dem er nach und nach eine Bindung aufbaut. Als Hugo aber sieht, wie seine Frau Jessica und Hoederer sich sehr nahe kommen, greift er zur Waffe und erschießt den Parteisekretär. Doch die Frage, die nach der Tat nun im Raum steht: War es ein politischer Mord oder ein Mord aus Eifersucht? Nach zwei Jahren Haft kommt Hugo schließlich frei und steht nun vor der Wohnungstür seiner Parteifreundin Olga und möchte sich der Unterstützung seiner Partei versichern. Sie versteckt ihn vor Mitgliedern der Partei, die ihn bereits verfolgen und umbringen wollen. Den beiden bleibt eine einzige Nacht, um das Geschehene zu rekapitulieren und die Tatmotive zu ergründen. Hugo muss sie von seiner Parteitreue überzeugen, andernfalls stirbt auch er. 

Bastian Krafts Inszenierung folgt der Dramaturgie von Sartres Text und spielt, bis auf den Anfang und das Ende, in Rückblenden. Das Bühnenbild (Bühne: Wolfgang Menardi) besteht aus einem riesigen quadratischen metallischen Konstrukt, das durch (teilweise drehbare) Spiegelwände immer wieder neue Räume entstehen lassen kann. Auf der Bühnenrückwand sind zwei riesige Videoprojektionsflächen angebracht, auf die jeweils spiegelverkehrt das Videobild geworfen wird. An der Decke ist eine hoch- und herunterfahrbare 360°-Kamera befestigt, die immer wieder einzelne Szenen heranzoomt. Das Bühnenkonstrukt lässt sich außerdem drehen und lässt so, im Einklang mit den vorhergenannten künstlerischen Mitteln, einen regelmäßigen Perspektivwechsel zu. Was von den Rückblenden ist tatsächlich so passiert? Welche Erinnerung vielleicht manipuliert? Diese Ebene wird von einem weiteren klugen Schachzug der Regie verstärkt: Doppelgänger. Jeder der Hauptprotagonisten hat einen gecasteten Laiendarsteller als Doppelgänger gegenübergestellt bekommen. Diese treten in einzelnen Szenen auf und verstärken den Effekt um die Perspektive und Legitimierung der Rückblenden. Manchmal wird in der Erzählung von Hugo auch zurückgespult und eine neue Perspektive eingenommen: Vielleicht war das ganze doch anders? Olga tigert während der Rückblenden um die Spielfläche herum, sucht immer wieder neue Blickwinkel und beobachtet das Geschehen. "Alles hängt hier zusammen", bemerken die beiden ganz richtig. Doch am Ende scheint das alles nicht mehr zu zählen. Mit "Nicht verwendbar!" schießt und schließt das Spiel, Hugos Schicksal ist besiegelt. Doch im Gegensatz dazu ist dieses Schauspiel höchst verwendbar. Eine großartige Inszenierung mit einem konsequenten und klaren Regiekonzept. Ein Schuss ins Schwarze, den das Publikum mit großem Beifall entlohnt. 

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von Marvin

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