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Roughhouse – Im Schauspiel Köln vereinen sich Theater und Tanz

13.02.2019

"Sie ist eine Tonträgerin und doch kein Klatschweib."
"What the fuck is 'Klatschweib'?"
"Sie ist ein offizieller Moniteur und doch kein Lügner. Sie hilft Helden im Kampfe, rettet Väter, unterstützt Mütter, beschützt Jungfrauen vor dem Falle und lässt keinen König in der Not stecken."
"CUT!" 

Eine Crossover-Produktion, in der sich Schauspiel und Tanz zu etwas Großem, Einmaligen, nie Dagewesenem verbinden soll. Das ist Roughhouse von dem US-amerikanischen Choreografen Richard Siegal, der im Depot 1 Schauspieler*innen des Schauspiel Köln und eine Auswahl von Tänzer*innen seiner Kompanie Ballet of Difference zusammenführt. Gemeinsam nähert man sich den größten Diskursen unserer heutigen Mediengesellschaft. Uraufführung war am 20. Dezember im Schauspiel Köln

"Der Titel Roughhouse rührt von dem Verb "roughhousing" her, das eine Art spielerisches Kämpfen bei Kindern bezeichnet" (Programmheft). Und tatsächlich mag dieser Titel auf dieses höchst gewagte Experiment bestens passen. Das Publikum ist Zuschauer einer abstrusen Live-Show. Das Ensemblemitglied Yuri Englert agiert zu Beginn als Moderator und Animateur, bevor es los geht. Und er frischt spielerisch und höchst humorvoll die Englischkenntnisse des Publikums auf und erzeugt einen leichten Übergang in den vorwiegend englischsprachigen Performanceabend. Zum Glück gibt es ja die Übertitel, möchte man denken. Doch leider hat ein Computervirus die Übertitel befallen und die Buchstaben wirbeln in der Laufschrift über den Köpfen des Ensembles wild umher. Genauso wild und wirr geht es dann auch auf der Bühne weiter. In der Live-Talkshow soll das Buch einer Autorin vorgestellt werden. Doch dann brechen Rebellen durch die Wand und besetzen das Studio. "Black Panthers" nennt sich das Kollektiv, das mit imaginären Handpistolen für Chaos sorgt. Folglich behandelt der Abend in verschiedenen Bildern die Themen unserer postfaktischen Gesellschaft: Fakenews, Hass im Netz, Digitalisierung, Entmenschlichung. "Fragen wir doch mal die stumme Mehrheit" heißt es dann in einer Szene. Dabei setzt Siegal unterschiedliche künstlerische Elemente ein und verbindet reines Gestammel mit antiken Texten wie der Orestie

Es ist Richard Siegals erster selbst geschriebener Theatertext, der rund 60 Seiten fasst. Der US-Choreograf ist bekannt dafür ästhetische Experimente zu wagen und interdisziplinär zu arbeiten. Nun also trifft in Roughhouse Schauspiel auf Tanz. Der Zuschauer blickt auf ein sehr abstraktes und assoziatives Bühnenbild (Bühne: Jens Kilian, Richard Siegal). Im Zentrum ist ein viereckiges Plateau, das aus 3x3 großen grauen Turnmatten besteht. Über der Bühne schweben zwei Lichtbälle und vorne oben an der Rampe hängt ein Bildschirm mit der Laufschrift für die Übertitel. Auch die Inszenierung selbst zeichnet sich durch Multimedialität aus. Mit einer Kamera und einer Mikrofonangel werden die Szenen eingefangen und teils links auf Flachbildschirmen projiziert. Nach hinten grenzt eine hohe Papierwand die Bühne ab. Durch die Kostüme wirken die Tänzer*innen wie analoge Netzkreaturen. Unter ihren schwarzen Jacken verbergen sich hautenge dunkle Ganzkörperanzüge, die sich durch verschiedenfarbige leuchtende Netze auszeichnen (Kostüm: Flora Miranda)

Der rund 100 Minuten lange Abend zeigt mit dem neunköpfigen diversen Ensemble (vier Tänzer*innen des Ballet of Difference, fünf Ensemblemitglieder des Schauspiel Köln) in verschiedenen Bildern eine große Gesellschaftskritik. Daneben werden auch zeitlose Themen wie Kapitalismus, Rassismus, Feminismus und Sexismus behandelt. Vor allem die Ballet- und Tanzszenen stechen als starke Momente des Abends heraus. Immer dann wenn auf Worte verzichtet wird, entfaltet sich die Ästhetik des Abends. Bis auf wenige, sehr eindeutige Szenen und Bilder blickt man durch den Sprechdschungel kaum durch. Die Kommunikation ist schlichtweg nicht produktiv, der Abend weder rational noch logisch zu ergründen. Ein jeder mag wohl andere Dinge in den Szenen für sich entdecken oder eben oft auch einfach gar nichts. Das Experiment, Schauspiel und Tanz logisch miteinander zu verknüpfen und sich so einem facettenreichen gesellschaftlichen Themenkomplex zu nähern, ist kläglich gescheitert. Aber das scheint auch gar nicht die Absicht von Richard Siegal gewesen zu sein, wie aus dem Interview im Programmheft hervorgeht. Ein höchst verwirrender und textüberladener Performanceabend. Sehr verhaltener und recht kurzer Applaus für das Roughhouse-Ensemble.

***Noch mehr #Theatertipps findet ihr auf youpod.de/theater.***

von Marvin

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