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"Ohne Theater werde ich nicht glücklich" - Regisseur mit 21

16.12.2019

Beim Theaterstück "Glashaus" bringen Jugendliche ganz allein ein jugendliches Thema für andere Jugendliche auf die Bühne. Diese Idee ist ganz neu. Das Schauspielhaus bietet das Pilotprojekt "Freispiel" an. Regisseur ist der 21-jährige Marvin Wittiber. Er stand schon als Schauspieler im Rahmen der Bürgerbühne selbst auf der Bühne, hat den Theater-Jugendclub "mit Herzblut" gegründet und weiß, dass Theater sein Leben ist. 

Wie er das Thema seines Stücks, die Einsamkeit, inszeniert, wie sein junges Team zusammenarbeitet, wie aufgeregt er bei der Premiere sein wird und was er als nächstes plant, erzählt Marvin im youpod-Interview.

Was waren deine ersten Gedanken, als du den Stücktext von Gian-Marco Hölk gelesen hast?

Der Autor hat seine eigene künstlerische Freiheit gehabt. Und jetzt ist es natürlich immer etwas Besonderes zu sehen, was daraus gemacht wird. 

Hattest du denn auch gleich konkrete Vorstellungen, wie man das Stück umsetzen kann?

In dem Stück geht es um Einsamkeit. Der jetzige Titel "Glashaus" spielt auf unsere Gespräche mit Jugendpsychologen, Therapeuten und Suchtberatern an. Wir haben sie gefragt, wie Leute Einsamkeit empfinden und mit ihr umgehen. Sie sagten, es sei ein weitverbreitetes Phänomen, dass Jugendliche sich so fühlen, als wäre da eine Glaswand zwischen ihnen und der Außenwelt, wenn sie einsam sind. Einsamkeit ist ja nicht dasselbe wie allein sein. Einsamkeit ist ein Gefühl und allein sein ist ein Zustand. Diese Glaswand ist so ein Bild, das wir von Anfang an mitgenommen haben. Im Stück spielen also gläserne Orte eine Rolle: ein Wintergarten, ein Gartencenter, ein Gewächshaus. 

Wie bist du beim Casting vorgegangen mit den Schauspielern? Was mussten sie für Talente mitbringen, wie hast du sie ausgewählt?

Ich habe keine professionelle Ausbildung als Regisseur, deswegen ist mir da klar, dass ich eher aus den Erfahrungen, die ich als Schauspieler gesammelt habe, etwas weitergeben kann. Daher kann ich keine schauspielerische Grundausbildung bieten. Es war also von Anfang an klar, dass es Leute sein müssen, die Theatererfahrung haben und die Bock auf dieses Abenteuer haben. Das braucht ja ein riesiges Vertrauen, mit Leuten zu arbeiten, die das alle nicht professionell machen, also nicht studiert haben: Regie, Kostüm, Bühnenbild, Musik, Dramaturgie. Mir war erstmal wichtig, dass man Lust aufs Projekt hat.

Man sucht auch Typen, mit denen man sich das vorstellen kann. Und es ist eben total wichtig, dass diese Typen untereinander funktionieren. Eine Figur ist zum Beispiel eine Klavierspielerin. Wenn jemand ein absoluter musikalischer Analphabet ist, dann ist das für diese Rolle halt nicht so gut. Und dann ist es auch eine Charakterfrage. Theater ist auch Seelenstriptease, jeder gibt etwas von sich rein. Da muss Vertrauen entstehen können.

Was sind deine genauen Aufgaben als Regisseur bei der Probe?

Ich leite die Proben und habe eine Verbindung zu meinem Team und zu meinen Schauspielern. Ich gebe auch mal Ideen rein, also konkrete Anweisungen, was zu tun ist. In meinem Team hat jeder seine Aufgabe: Bühne/Kostüm, Musik, Dramaturgie, Theaterpädagogik. Ich halte das zusammen und habe den Überblick. Ich schaue, wie Text mit Spiel und den anderen Komponenten zusammenfindet. Alle arbeiten eigenständig und schlagen mir Sachen vor. Ich entscheide am Ende und frage natürlich auch, was alle davon halten. 

Werdet ihr in der professionellen Theaterwelt ernst genommen?

Hier vom Haus? Ich glaube, dass sie sich das anders vorgestellt haben. Sie haben, glaube ich, gedacht, die Jugendlichen machen halt Theater, die stellen sich am Ende einen alten Sessel vom Sperrmüll auf die Bühne und dann mal gucken. Jetzt ist der Blick auf uns anders. Ich glaube, nach und nach wurde klar, dass das hier eine echt große Sache geworden ist: mit einem richtigen großen Bühnenbild, das gebaut wurde, mit richtigen Kostümen, mit einem anspruchsvollen Text. 

Und wirklich alle Mitwirkenden sind jugendlich?

Ja, wirklich alle sind Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 24 Jahren. Klar, manche haben mehr Erfahrung in dem, was sie tun, als andere. Fast alle von uns haben schon mal gespielt, aber ich finde spielen ist nochmal was ganz anderes, als auf der anderen Seite zu stehen. Gerade weil wir alle gleich alt sind, klappt das gut. Wenn wir mal in eine Sackgasse kommen, müssen wir Lösungen finden. Schlussendlich ist es theoretisch auch möglich, dass wir scheitern. Ich mach keinen Hehl daraus, dass es Sachen geben könnte, die nicht klappen. Das hier ist ein Ausprobieren, das war von Anfang an klar.

Und wie lief die Zusammenarbeit bisher? Gab es bereits eine Sackgasse?

Nicht wirklich. Aber es gab zum Beispiel das Problem, bis wann setze ich die Proben an, wie sieht das aus mit den Endproben? Wir haben hier Schüler, die müssen vom Unterricht befreit werden, da muss man Kompromisse eingehen. Die haben Klausuren, da willst du die auch nicht rausholen. Wo proben wir? Wenn hier mal keine Räume frei sind, was dann? Wir haben auch schon in meiner Kirchengemeinde im Jugendraum geprobt. Das ist dann so. Insgesamt ist uns das Haus massiv entgegengekommen. Wir haben eine Endprobenphase wie bei einer normalen Produktion, in der wir intensiv proben. Licht und Ton werden dann vom Haus gemacht. Es wird mehrmals jeweils vier Stunden geleuchtet, damit wir sehen können, wie das Licht ist. Das ist wirklich etwas sehr, sehr Besonderes. Es ist Wahnsinn, dass das Haus uns das ermöglicht.

Was soll das Stück bewirken in den Köpfen der Jugendlichen? Es ist ja an ein jugendliches Publikum gerichtet.

Ja, genau, es ist ab 16 Jahren. Die Inszenierung soll sich vor allem mit dem Thema Einsamkeit auseinandersetzen. Die Figuren sind so konstruiert, dass alle etwas mit dem Thema zu tun haben. Es gibt einen Hauptprotagonisten, an dem sich diese Geschichte entspinnt und wir sehen 48 Stunden aus seinem Leben. Da ist er schon in dem Zustand der Einsamkeit. Es geht viel um das Thema Identifikation mit den Figuren. Die jugendlichen Zuschauer sollen bestimmte Momente erleben, in denen sie denken "Ah ja krass, das kenne ich!" Dann kommen aber auch Momente, die wieder emotional schwieriger zu greifen sind, weil sie zu abgedreht sind. 

Wir haben uns lange mit der Definition von Einsamkeit beschäftigt. Was ist das eigentlich, was wissen wir davon, was für Gründe kann das Gefühl haben, was für Umgangsformen gibt’s damit? Rausch war hier großes Thema, die Betäubung dieses Zustandes der Einsamkeit. Mit einem Mitarbeiter der SKM-Männerberatung, der uns besucht hat, haben wir uns angeschaut, ob das bei Männern und Frauen anders ist. Reden Männer genauso darüber wie Frauen? Dann war auch jemand von der Drogenberatung da und wir überlegten, wie das ist, wenn du einen Rausch hast, wie fühlt sich das an. 

Wir haben da viel zu gearbeitet. Vor allem die Erwachsenen sollen sehen, was Einsamkeit für Jugendliche bedeutet. Die denken vielleicht: "Ach, Einsamkeit ist doch eigentlich was von der 80-jährigen Omi von nebenan, deren Mann verstorben ist." Aber das ist nicht so. Jeder kennt das.

Du engagierst dich ja auch sonst im sozialen Bereich, zum Beispiel mit deinem Club „mit Herzblut“, beim Jugendrat, in der Kirche, beim Jugendportal youpod.de. Du studierst Sozialwissenschaften. Willst du später auch beruflich etwas in der Richtung machen?

Es gibt bei mir vor allem diese politische Richtung mit Jugendrat und Parteiarbeit und dann noch das Studium. Aber dass ich in den Theaterbereich gehe, war mir 2016 klar, als ich richtig angefangen habe, Theater zu spielen. So bin ich auch ans Haus gekommen. Ich habe hier in drei Stücken und zwei Bürgerbühnenclubs mitgespielt. So ist das ins Rollen gekommen. Auf jeden Fall weiß ich, dass ich am Ende des Tages im Theater landen werde, sonst werde ich nicht glücklich. Natürlich hatte auch ich mal die Phase, in der ich Schauspieler werden wollte. Ich habe mich aber gefragt, auf welcher Seite ich am Ende stehen will: auf oder hinter der Bühne? In der Kommunikationsabteilung? Auf Seiten der berichterstattenden Presse? Deswegen probiere ich das hier als Regisseur aus. Es ist eine spannende Erfahrung, aber ich bin jetzt auch erst mal gespannt auf das Feedback vom Publikum.

Planst du parallel schon das nächste Projekt?

Ja, ich muss mir ja schließlich eine neue Herausforderung suchen, oder? Im Dezember ist das hier vorbei, der Jugendrat ist für mich auch vorbei, in die evangelische Jugend bin ich nicht mehr delegiert … Dann wird es für mich Richtung Theater gehen. Ich werde diesen Projektrahmen von "Freispiel", den ich jetzt als erster ausprobiere, weiter begleiten, wenn nächstes Jahr neue Jugendliche ein Stück machen. Ich möchte die Folgegeneration unterstützen. 

Es würde mich aber durchaus reizen, noch mal mit meinem Team und dem Ensemble zusammenzuarbeiten. Schließlich haben wir ein Markenzeichen: Wir machen Theater von Jugendlichen mit Jugendlichen für ein jugendliches Publikum. Das könnte sicher auch für andere Theaterhäuser interessant sein.

Wie wisst ihr nach der Aufführung, wie es beim Publikum angekommen ist?

Wir bekommen auch schon vorher Feedback: Die Mitarbeiter vom Haus kommen gelegentlich auch zu den Proben: Schauspieler, Dramaturgen, der künstlerischer Leiter des Jungen Schauspiels. Wir hören hin, was die Profis dazu sagen. Was sagt später die Presse dazu, was sagt das Publikum? In der ersten Vorstellung haben wir wahrscheinlich 90 Prozent Leute sitzen, die das Stück sowieso gut finden werden, weil sie einen von uns kennen. Wir müssen also abwarten, bis es öfter gespielt wurde und das Publikum durchmischter ist. Dann sehen wir, ob es ankommt und vor allem, was das Zielpublikum sagt. Ich weiß, es wird ein anspruchsvoller Abend, aber ich glaube, dass es eine Art Entdeckungsreise sein wird.

Denkst du, dass du am Abend der Premiere sehr aufgeregt sein wirst?

Ich habe sogar überlegt, ob ich nicht in die Premiere reingehe, weil ich mir vorstelle, dass ich mit den Nerven völlig durchdrehe [lacht]. Ich bin ein Mensch, ich muss immer die Kontrolle behalten – und wenn ich nicht auf der Bühne stehe und ich nicht direkt was reinrufen kann, habe ich nicht die Kontrolle. 

Ich werde jedenfalls wahnsinnig aufgeregt sein - das bin ich jetzt schon.


Das Interview führte Charlotte Höft.

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