Theater
Glashaus - Von Einsamkeit in einer technikgesteuerten Welt
07.02.2020
Tipp, Tipp, Tipp.
Herzaugensmiley.
Abgeschickt.
So geht Kommunikation heute. Mit allen, jedem, überall. Aber warum fühlen wir uns oft trotzdem allein? Wenn Emotionen und Gefühle nur noch durch Emojis ausgedrückt werden und das Reallife kaum noch eine Rolle spielt und man in Dunkelheit versinkt, wenn das einzige Gespräch am Tag mit einem elektronischen Sprachassistenten stattfindet, dann ist sie schnell da, die Einsamkeit.
Das ist der Alltag des namenlosen Hauptprotagonisten "Ich" im Theaterstück "Glashaus", das von Jugendlichen geschrieben, inszeniert und auf die Bühne gebracht wurde. Das Theaterprojekt "Freispiel" des Schauspielhaus Düsseldorf hat jungen Menschen die Möglichkeit gegeben, ein komplett eigenes Theaterstück auf die Beine zu stellen.
Von Jugendlichen, für Jugendliche, mit Jugendlichen ist eine Inszenierung entstanden, die ein Thema behandelt, das alle kennen: Einsamkeit, sich allein fühlen. Auch heutzutage, in einer immer und überall vernetzten Welt, kommt es immer häufiger vor, dass Menschen sozial verarmen, sich einsam und verlassen fühlen.
Zusammen mit sieben Jugendlichen zwischen 16 und 24 Jahren erschuf Regisseur Marvin Wittiber, der auch das Theater- und Kulturprojekt "mit Herzblut" ins Leben rief, ein Stück, das Einsamkeit aus den Perspektiven verschiedener Jugendlichen darstellt. Von Regie, Kostüm, Theaterpädagogik bis zu Musik und Licht wurde alles ausschließlich von Jugendlichen konzipiert, geplant und ausgeführt.
Das Drehbuch des Studenten Gian-Marco Hölk erzählt die Geschichte eines 19-Jährigen, der auf seinem Weg durchs Leben mit dem Gefühl der Einsamkeit, der Angst etwas zu verpassen und der Frage nach dem Sinn des Lebens konfrontiert wird. Um die Leere in seinem Kopf zu betäuben trinkt er viel Alkohol, nimmt Drogen und versucht sich mit (Online-)Bekanntschaften abzulenken.
Das Ich, gespielt vom 16-jährigen Michael Bayen lebt allein in einem großen Haus am tosenden Meer.
Genauso wie das unruhige Meer vor seinen Fenstern fühlt auch er sich verwirrt und durcheinander: einsam, auf weiter Flur. Als könne man in Einsamkeit ertrinken.
Daran werden auch die Klavierspielerin Vivien (Lilli Reents), die Chat-Partnerin Olivia (Pauline Encke) oder eine kurze Liebesaffäre nichts ändern. Über die Lebensumstände oder die Familie des Ichs erfährt der Zuschauer nichts. So bleibt die Figur hauptsächlich eines: ein Gefühl, mit dem sich wahrscheinlich fast alle Jugendlichen und die Zuschauer identifizieren können.
Das wohl stärkste Symbol dieses Gefühls ist gleichzeitig auch ein Teil der Bühnenrequisite: eine Glaswand, hinter der sich das Ich ziemlich oft befindet. In jeder Situation und Szene steht sie auf der Bühne und stellt etwas anderes dar. Genauso trägt auch das Ich die Einsamkeit überall mit hin, spürt sie in jeder Situation seines Lebens. Er ist allein, auch wenn er von Menschen umgeben ist. Abgeschnitten vom wirklichen Leben und in seinem Kopf gefangen.
Sinnbildlich für seinen Geisteszustand steht der kleine Bonsaibaum, der das einzige Lebewesen in seinem Haus ist, und um das er sich kümmert. Doch dann vertrocknet dieser, da er statt Wasser nur mit Bier und anderem Alkohol gegossen wird. Das scheint auch der Punkt zu sein, an dem der Verstand des Ichs außer Kontrolle gerät.
Die Stimmungen und Atmosphäre im Stück wurden besonders durch die Musik und das Spiel mit verschiedenen Lichtern greifbar. So konnte das Publikum die Situationen hautnah mitfühlen.
In manchen Szenen wäre ein inhaltvolleres Bühnenbild ansprechender gewesen und einige Dialoge hätten kürzer sein können, dort ging der Kern des Gesprächs manchmal unter.
Besonders bemerkenswert war, dass trotz krankheitsbedingtem Ausfall einer Schauspielerin schnell eine Ersatzdarstellerin gefunden wurde, die ihre spontane Rolle toll meisterte. Pauline Encke, die an diesen Abend ursprünglich für das Kostüm und das Bühnenbild zuständig war, spielte die Rolle der Olivia sehr überzeugend und emotional. Hätte man es nicht gewusst, wäre der Tausch überhaupt nicht aufgefallen.
Die professionelle Machart des Stücks und der souveräne Umgang mit Problemen zeigen, dass nicht nur die Großen richtiges Theater machen können. Wie man bei "Glashaus" sehen kann, sind junge Menschen ebenso talentiert und in der Lage, ein eigenes Stück zu inszenieren.
Das neben anderen Aufgaben wie Schule, Arbeit und Uni zu meistern, hat einen Applaus verdient!
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