Düsseldorfer Jugendportal

Sprich über deine Stadt!

640 640 1000 1000 1000

Tax for free – Cum-Ex-Skandal trifft auf Michael Kohlhaas

06.07.2021

2018 wurde durch eine Investigativ-Recherche von Journalist*innen der größte Steuerskandal in der Geschichte Europas aufgedeckt: die Cum-Ex-Geschäfte. Insbesondere der deutsche Staat wurde dabei um Milliarden Euro Steuergelder gebracht. Den journalistischen Prozess begleitete damals das Theaterteam um Regisseur Helge Schmidt monatelang und brachte den Cum-Ex-Skandal im Anschluss auch auf die Bühne: "Cum-Ex-Papers" hieß das Stück, das 2019 mit dem deutschen Theaterpreis FAUST ausgezeichnet wurde. Die Produktion war 2019 auch beim asphalt Festival in Düsseldorf zu sehen. Nun hat sich das Team erneut mit dem Steuerskandal auseinandergesetzt und sich dabei aber vor allem der politischen Sphäre und dem Skandal um die Privatbank M.M. Warburg und den Stadtstaat Hamburg gewidmet. Das Theaterstück "Tax for free – Scholz und Tschentscher geben einen aus und Michael Kohlhaas wundert sich", uraufgeführt im Juni am Lichthof Theater Hamburg, wurde vom asphalt Festival koproduziert und nun bei seiner 9. Festivalausgabe gezeigt. 

Dass es sich bei "Tax for free" um eine Fortsetzung der künstlerischen Arbeit handelt, zeigt nicht nur die Zusammensetzung des Ensembles (drei der vier Schauspieler*innen spielten bereits in "Cum-Ex-Papers"), sondern auch die Ausstattung und der Einsatz künstlerischer Elemente wie dem Video. Neu ist allerdings, dass das Stück nicht nur zeitgenössisches Dokumentartheater ist, sondern auch ein Stück Klassik beinhaltet: der Text würde nämlich mit Auszügen aus der Novelle "Michael Kohlhaas" von Heinrich von Kleist verschränkt, in der es um einen Mann geht, der Ungerechtigkeit erlebt und aus dem Drang nach Gerechtigkeit einen Krieg entfacht. Der Ansatz ist überaus spannend und liest sich im Programmheft gut, funktioniert an diesem Abend nur leider überhaupt nicht. Wie Fremdkörper wirken die Szenen und verschärfen den unpointierten Tonfall der gesamten Inszenierung enorm. Die Figuren werden von den Darsteller*innen karikiert und spielen so sehr auf Witz, dass ihnen die Ernsthaftigkeit ihrer Figuren völlig entgleitet. Daneben wirkt auch der Einsatz der Videointerviews mit Politiker*innen, Journalist*innen und NGOs wie Bruchstücke, die oft jegliche Bindung an das Bühnenspiel verlieren. Auch die Tanzeinlagen als Schattenspiele wirken eher gezwungen als dramaturgisch gut verknüpft. Und so bekommt der Abend einen faden und zähen Geschmack, der das Dokumentartheater im Schauspiel eher überflüssig als bereichernd macht. Aber dass es besser geht, hat Regisseur Schmidt ja bereits in "Cum-Ex-Papers" deutlich gemacht. Dort konnte das Dokumentarische in dramatischer Form sogar wachsen und hat einen niedrigeren Zugang zu dem durchaus komplexen Thema geschaffen. Und gerade darum ist das Dokumentartheater auch so wichtig. Braucht es da dann wirklich auch noch einen Michael Kohlhaas? 

von Marvin

Kommentar verfassen

Bitte fülle alle Felder aus die mit * markiert sind.