Beratungsstellen
"Ich habe immer ein offenes Ohr" – Tim hilft bei der Nummer gegen Kummer
06.11.2020
Das Telefon klingelt. Welches Problem ihm gleich begegnet, weiß Tim nicht. Aber er weiß: Wenn er aufgelegt hat, wird es ein Stückchen kleiner sein. Tim ist 17 Jahre alt und arbeitet bei der Nummer gegen Kummer 116 111. Er hilft anderen Jugendlichen bei ihren Sorgen und Fragen.
"Da kann alles dabei sein", weiß Tim. Mobbing, Gewalt in der Familie oder Spaßanrufe – er hat schon viel von den Anrufer*innen gehört. Und mit allem kann er umgehen. "Wir wurden in der Ausbildung gut vorbereitet", erzählt er. In der Gruppe besprachen die Ehrenamtlichen, wie man auf welche Probleme reagiert und an wen man die Jugendlichen eventuell weiterleiten muss. Ein dicker Ordner voll mit Wissen hat Tim mitgebracht. Was ihm auch geholfen hat, war der Austausch. Er sprach mit den anderen darüber, wie sie alle selbst mit Konflikten umgehen.
"Ins kalte Wasser geworfen wurden wir danach nicht", sagt Tim. "Wir haben bei anderen zugehört, wie sie am Telefon beraten. Sobald wir uns sicher fühlten, durften wir selbst den Hörer abnehmen." Am Anfang saß noch ein Ausbilder neben Tim, der ihm Sicherheit gab. Schnell traute sich Tim den Dienst bei der Nummer gegen Kummer alleine zu. Seit Februar hilft er dort zweimal im Monat.
"Corona schwingt mit"
Und dann kam Corona. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass es im Lockdown mehr Anrufe gab", erinnert sich Tim, "die Sorgen sind keine anderen geworden, aber Corona schwingt seitdem mit." Tim ist aufgefallen, dass den Jugendlichen, die anrufen, nun oft die Entlastung durch Freund*innen fehlt. Wer seine Freund*innen nicht mehr treffen dürfe, könne auch seine Sorgen nicht mehr so gut besprechen oder sogar vergessen.
Auch dann ist Tim da. Er hat ein offenes Ohr, wenn jemand einfach mal reden möchte. Und auch bei ganz schwierigen Fällen hatte er nie das Gefühl, dass er nicht helfen konnte. "Ich lege den Hörer auf und denke jedes Mal: Ich habe alles getan, was ich tun konnte", sagt Tim. Mal überlegt er mit dem Jugendlichen, woher sein Problem kommt. Mal gibt er Tipps, wie man sich bei Mobbing verhält. Mal kennt er die richtigen Anlaufstellen bei Schulstress.
Hilfe bei schwierigen und praktischen Fragen
Seine Ideen können auch ganz praktisch sein. "Einmal hat ein jüngeres Mädchen angerufen", erinnert sich Tim, "ihre Freundin würde bald wegziehen. Vorher wollte sie noch etwas ganz Besonderes machen." Tim holte direkt seinen Kollegen mit ans Telefon und sie überlegten zu dritt. "Die Idee, eine Übernachtungsparty zu planen, fand sie am besten", sagt er. "Ich schlug ihr vor, das direkt anzugehen und der Freundin einen schönen Brief als Einladung zu schreiben."
Für Tim ist die Arbeit bei der Nummer gegen Kummer bereichernd. Er freut sich jedes Mal, wenn er jemandem helfen konnte. Das Ehrenamt und die Ausbildung dazu empfiehlt er deswegen weiter. "Aber man muss sich das vorher gut überlegen", gibt Tim zu bedenken, "man hat eine Menge Verantwortung." Und ihm fällt ein gutes Beispiel ein: "Wenn ich kein Blut sehen kann, werde ich ja auch kein Rettungssanitäter." Das Wichtigste sei, dass man wirklich helfen möchte. "Das Wissen und die Sicherheit kommen mit der Ausbildung", sagt Tim.
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