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Wurden Vorfälle im Schauspielhaus zu lange ignoriert?

24.03.2021

Ein Einzelfall sind die Rassismus-Vorfälle nicht, die Schauspieler Ron Iyamu am Schauspielhaus erleiden musste, wohl nicht. Das lassen öffentliche Statements vermuten und Berichte, die dem Jugendportal youpod.de vorliegen. Diese legen auch nahe, dass den problematischen Strukturen im Haus lange mit Gleichgültigkeit begegnet wurde.  

Von einer ignoranten Haltung der Leitungsebene gegenüber dem Fehlverhalten einzelner Regisseure berichtet ein*e Mitarbeiter*in, der*die sich im Zuge der Berichterstattung auf youpod.de bei der Redaktion gemeldet hat und hier anonym bleiben möchte. Im vergangenen Jahr sei es während einer internen Sitzung mit Vertretern der Theaterleitung und weiteren Mitarbeiter*innen, in der es um ein anderes Thema ging, auch zu einer Aussprache bezüglich des problematischen Verhaltens eines regelmäßig am Haus engagierten Regisseurs gekommen.

"Hauptsache der macht mir am Ende den Saal voll"

Sinngemäß soll Intendant Wilfried Schulz dem Hilfeersuchen entgegnet haben, dass es ihm egal sei, wie sich ein Regisseur während der Proben verhalten würde: "Ob jemand Alkoholiker oder Choleriker ist, ist mir gleich. Hauptsache der macht mir am Ende den Saal voll". Während der Proben zu einer Produktion, die im Frühjahr 2019 Premiere feierte, soll der Regisseur unter anderem einzelne Schauspieler*innen "aus Spaß" mit "Arschloch" und "Schlampe" angesprochen haben. Schulz sehe es als die Aufgabe der Mitarbeiter*innen an, damit umzugehen und entziehe sich in solchen Situation jeglicher Verantwortung. Man sei ja alt genug, habe Schulz dem hinzugefügt.

Das Schauspielhaus äußert sich auf Nachfrage zu der beschriebenen Sitzung nicht. Lediglich auf die Zitate geht es ein und schreibt: "Unseres Erachtens entsprechen die Begrifflichkeiten weder Wilfried Schulz‘ Haltung noch Wortwahl."

Weitere ehemalige Mitarbeiter*innen teilen Ron Iyamus Erfahrungen

Mittlerweile mehren sich auch die öffentlichen Stimmen zu den Vorfällen, die Ron Iyamu in der vergangenen Woche publik gemacht hat. Gestern veröffentlichte Iyamu ein weiteres Video auf Instagram, in dem er ankündigte, dass zeitnah weitere solcher Erfahrungsberichte von anderen Mitarbeiter*innen des Hauses veröffentlicht werden würden. 

In den vergangenen Tagen meldeten sich bereits einzelne ehemalige Mitarbeiter*innen des Theaters auf ihren Social-Media-Kanälen zu Wort und berichten von ihren persönlichen Erfahrungen am Düsseldorfer Schauspielhaus, einer "Kultur des Schweigens" und tief sitzenden rassistischen und sexistischen Strukturen. 

Bühnenbildassistent spricht von rassistischen Beleidigungen durch Regisseur

Fivos Theodosakis wurde in Griechenland geboren und hat als Bühnenbildassistent unter der Intendanz von Wilfried Schulz am Düsseldorfer Schauspielhaus gearbeitet. Er berichtet in einem Facebook-Beitrag von ähnlichen Erfahrungen während seiner Tätigkeit, wie sie Ensemblemitglied Ron Iyamu gemacht hat. Er sei unter anderem von einem Regisseur bei den Proben "vor Mitgliedern der Intendanz, den Gewerken und Schauspieler*innen permanent (...) gemobbt, rassistisch beleidigt und diskriminiert" worden. Der Regisseur habe wiederholt zu ihm gesagt: "Verschwinde! Geh sofort zurück nach Griechenland!".

Außerdem habe sich dieser über Theodosakis' Akzent lustig gemacht. Der anwesende Dramaturg habe geschwiegen, sein direkt vorgesetzter Bühnenbildner und Professor habe zu ihm gesagt, er müsse an seine Karriere denken und dass die Schuld bei ihm selbst liegen würde. Trotz mehrfacher Beschwerden über das Verhalten und die sexistischen und rassistischen Aussagen des Regisseurs von mehreren Ensemblemitgliedern habe Intendant Wilfried Schulz zwar die Entscheidung getroffen, diesen nicht mehr engagieren zu wollen, dabei kam es jedoch bereits nach einem Jahr zu einem weiteren Engagement am Düsseldorfer Schauspielhaus. 

Warum der Regisseur erneut engagiert wurde, beantwortet das Schauspielhaus auf Nachfrage nicht. Es verweist darauf, dass es allen Vorgängen minutiös nachgehen werde und sich dafür auch Kompetenz von außen holen werde. "Wir werden aufklären, dokumentieren, transparent machen, Konsequenzen ziehen und Veränderungen herbeiführen – noch in dieser Spielzeit", heißt es.

"Große Diskrepanz zwischen öffentlichem Auftreten und internem Handeln"

Laura Jil Beyer hat mehrere Jahre in der Kommunikationsabteilung des Düsseldorfer Schauspielhauses gearbeitet. In einem Statement auf Facebook äußert sie sich zu der Stellungnahme von Intendant Wilfried Schulz im WDR-Beitrag vom 18. März und seiner ablehnenden Haltung gegenüber einem Meldesystem, das diskriminierende Vorfälle am Haus sichtbar machen würde: "Weil ein Meldesystem endlich ein greifbares Bild der grundlegend menschenfeindlichen Atmosphäre am Haus zeichnen würde".

Sie spricht von einer "toxischen Unternehmenskultur, die nicht nur die Grundlage für die klaglose Akzeptanz von rassistischen und sexistischen Strukturen legt, sondern ihnen den Status der absolut erwartbaren Normalität zuschreibt". In den Vordergrund rückt sie dabei auch die große "Diskrepanz zwischen öffentlichem Auftreten und internem Handeln" des Theaters. 

Ausmaß der internen Probleme am Schauspielhaus unklar

Das Ausmaß der Probleme am Düsseldorfer Schauspielhaus lässt sich nach diesen Erfahrungsberichten nur erahnen.

Eine konsequente Aufarbeitung, das Ziehen entsprechender Konsequenzen und die Ergreifung von Maßnahmen, damit sich diese Vorfälle nicht wiederholen können, forderten am Montag die Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Isabel Pfeiffer-Poensgen und der Düsseldorfer Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende des Schauspielhauses, Dr. Stephan Keller, in einem gemeinsamen Statement. 

von Leo C. + youpod

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