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Hannah und Mara campen in Lützerath fürs Klima

16.01.2023

Die Stimmung im Camp in der Nähe von Lützerath ist am Samstagmorgen bedrückt und angespannt. Alle bereiten sich auf die große Demonstration vor, zu der viele Organisationen aufgerufen haben. Ob die etwas verändern wird und wie viele kommen werden, weiß zu dem Zeitpunkt noch niemand. Das Camp ist nur wenige Kilometer vom Tagebau Garzweiler entfernt, der um ein großes Gebiet erweitert werden soll. Hier wird Braunkohle abgebaut. Dafür muss das kleine Dorf Lützerath weichen. Die Situation im Camp erinnert eigentlich an ein Festival: überall junge Leute, Zelte und Dixi-Klos. Der große Unterschied: Hier läuft keine Musik. Die Menschen sammeln ihre Kräfte für weitere Aktionen, um die Räumung von Lützerath hinauszuzögern. Hier schlafen rund 3000 Aktivist*innen. Unter ihnen sind Hannah und Mara.

Die beiden engagieren sich neben ihrem Studium seit 2019 bei Fridays for Future Düsseldorf. Mara (19) studiert Sozialwissenschaften und Hannah (21) Medizin. Das Studium und den Aktivismus unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer leicht. "Früher hat die Schule ein bisschen darunter gelitten, heute ist es das Studium", erzählt Hannah. "Aber es macht auch einfach Spaß sich gemeinsam mit vielen tollen Menschen fürs Klima einzusetzen", fügt Mara hinzu.

Darum wird demonstriert

Der Anlass des Camps ist ein Deal zwischen der Landesregierung NRW und dem Energiekonzern RWE. Die Landesregierung aus CDU und den Grünen hat mit RWE vereinbart, dass der Kohle-Ausstieg von 2038 auf 2030 vorgezogen wird, dafür jedoch die Kohle unter Lützerath und dem Gebiet darum abgebaut werden darf. In dem Dorf leben schon länger keine Menschen mehr, da bereits 2006 mit der Räumung begonnen wurde und das Gebiet mittlerweile der Firma RWE gehört. Kritiker*innen sagen, dass so das 1,5-Grad-Ziel, das im Pariser Klimaabkommen beschlossen wurde, nicht eingehalten werden könne und stellen sich daher gegen die Räumung.

Engagement trotz Regen, Wind und Wetter

Gleich in der Nähe von Lützerath und dem Tagebau Garzweiler befindet sich das Camp, das den Namen "Unser Aller Camp" trägt. Dieser Ort ist auch für die beiden Aktivistinnen etwas Besonderes. Sie haben zwar schon Klima-Camps besucht, aber bei diesem sei die Stimmung anders. "Alle sind etwas bedrückt, weil einige Aktivist*innen schon sehr anstrengende Tage oder Wochen hinter sich haben. Dann kommt auch noch der Regen dazu, sodass der Boden total matschig ist", betont Mara.

Unter diesen Bedingungen würden viele Jugendliche sicherlich gerne auf der Couch in der warmen Wohnung sitzen. Doch das kommt für Hannah und Mara nicht in Frage: "Wir könnten es nicht mit unserm Gewissen vereinbaren, nicht hier zu sein. Wir finden den Deal zwischen RWE und der Landesregierung schlimm und absurd. Die Nicht-Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ist ein Todesurteil für unzählige Menschen, die an den Folgen der Klimakatastrophe sterben werden", sagt Mara.

Wird die Kohle wirklich gebraucht?

Inwiefern Lützerath konkret eine Rolle für das 1,5-Grad-Ziel spielt, ist schwer zu sagen. Dennoch ist jedes Kilo Kohle, dass verbrannt wird, generell schädlich fürs Klima. Laut der Umweltorganisation BUND ist Braunkohle sogar der klimaschädlichste aller Energieträger. Auch ob die Kohle unter dem Gebiet wirklich gebraucht wird, ist umstritten. Eine unabhängige Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung besagt, dass die Ausweitung des Tagesbaus für den Energiehaushalt in Deutschland, trotz Energie-Krise, nicht notwendig sei. Eine andere Studie, die von der Landesregierung angefordert wurde und unter anderem Daten der Firma RWE nutzt, kommt zu einem anderen Ergebnis. "Die Studie ist unter viel Zeitdruck entstanden und benutzt keine unabhängigen Quellen", sagt Hannah. "Das finden nicht nur wir: 700 Wissenschaftler*innen fordern mit einem gemeinsamen Aufruf, die Räumung von Lützerath zu stoppen."

Für Mara und Hannah bedeutet das, dass die Profite der Firma RWE höhergestellt werden als die Klimaziele. Darum demonstrieren sie. "Wir möchten die Räumung des Dorfes einfach so lange wie möglich hinauszögern", sagt Mara. "Durch die Demo heute ist die Polizei hoffentlich beschäftigt und kann nicht weiter das Dorf räumen. Wir hoffen, dass die Grünen dann merken, wie groß die Empörung über diesen Deal ist und zugeben, dass das Gutachten noch einmal geprüft werden muss."

Ausschreitungen auf der Demo

Dafür demonstrieren an diesem Samstag tausende Menschen. Von 15.000 spricht die Polizei, von 35.000 sprechen die Veranstalter*innen. Auf der Demo haben die beiden Aktivistinnen wichtige Rollen: Hannah übernimmt die Pressearbeit und Mara begleitet den Demo-Zug, um laut Stimmung zu machen. Dazu gehören Rufe wie "Lützi bleibt!“ oder "Kohle Stopp". Während der Demo merkt man, dass die Aktivist*innen mit vollem Herzen dabei sind und mit ganzer Kraft die Parolen rufen. Ab und zu gibt es sogar musikalische Begleitung durch eine Blaskapelle oder Redebeiträge auf kleinen Bühnen.

Die Demonstration verläuft insgesamt friedlich, aber an einigen Stellen kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aktivist*innen und der Polizei. Mara erzählt, dass einige ihrer Freund*innen aus diesem Grund nicht dabei sein wollten. "Sie sehen Bilder, wo Aktivist*innen mit Steinen auf die Polizei werfen und möchten das dann nicht unterstützen. Ich kann das verstehen, aber erkläre ihnen dann immer, dass das nur wenige sind, die dann von den Medien aufgegriffen werden. Außerdem wird meistens die Polizeigewalt nicht gezeigt, die oft noch größer und unverhältnismäßig ist", findet Mara. 

An diesem Tag wurden nach Angaben des Sanitärdienstes der Demonstrant*innen eine hohe zweistellige bis dreistellige Zahl der Aktivist*innen verletzt. Viele von ihnen schwer und einige sogar lebensgefährlich, berichtet eine Sprecherin. Die meisten Verletzungen stammten von Schlagstöcken auf den Kopf, Pfefferspray oder Faustschlägen. Auf Seiten der Polizei gab es ebenfalls 70 Verletzte. Dies ist jedoch nach Angaben der Polizei nicht allein auf die Aktivist*innen zurückzuführen, denn durch den Wind haben auch Polizist*innen Pfefferspray abbekommen oder sind im schlammigen Boden umgeknickt. Das zeigt: Die Lage ist schwer einzuschätzen, denn bei der Polizei werden Verletzungen viel genauer dokumentiert.

Einsatz für eine klimagerechte Zukunft

Nach diesem Tag werden viele Bilder von Gewalt verbreitet. Doch was auch passiert ist: Zigtausende Menschen riefen und sangen friedlich für eine klimagerechte Zukunft. Am Ende des Tages fahren die meisten Demonstrant*innen wieder nach Hause, doch Hannah, Mara und einige andere bleiben. Sie campen, um zu zeigen: "Unsere Träume lassen sich nicht räumen!"

von Vivian

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