Flüchtlinge sind in Düsseldorf offenbar ein heikles Thema. Wegen der Umsiedlung von mehreren Familien innerhalb Düsseldorfs ist ein öffentlicher Streit zwischen der Stadt und der Initiative "Stay" entbrannt – mit zeitgleichen Pressekonferenzen, Einschränkung der Arbeit von Journalisten und "Schikanen" der Stadt, wie Stay sagt.
Ein Brief der Stadt hat den Stein Anfang Dezember ins Rollen gebracht. Der Brief liegt unserer Redaktion vor. Darin teilt das Sozialamt Flüchtlingsfamilien mit, dass sie umziehen müssen. Ihre Unterkunft am Hasseler Richtweg in Eller sei nur vorübergehend gewesen. Jetzt sollen sie an die Lacombletstraße nahe des Derendorfer S-Bahnhofs ziehen. Nach Eller sollen Obdachlose ziehen. Eine große Obdachlosen-Unterkunft an der Forststraße schließt, in einer neuen in Rath ist zu wenig Platz für alle Obdachlose, die in der kalten Jahreszeit ein Kopf über dem Dach suchen.
Davon hat die Flüchtlingsinitiative Stay erfahren. "Die Ärmsten der Armen werden gegeneinander ausgespielt", erklärte sie am Montag in einer Einladung zur Pressekonferenz. Sie kritisiert, dass die Flüchtlinge aus Reihenhäusern in Eller in eine Sammelunterkunft gebracht werden sollen. An der Lacombletstraße wird seit Wochen eine ehemalige Schule umgebaut. Metallspinde und Metallbetten wurden dort hin gefahren. Auf dem Hof stehen Container mit 20 Duschen und Waschbecken.
Raum statt Haus für Familie
In Eller bewohnen die Menschen kleine Häuser. Diese sind zwar eng, aber bieten mit etwa fünf Zimmern fünf bis zehn Personen ein Zuhause. "Meine Töchter und Söhne haben hier getrennte Zimmer", erklärte ein Mann, der mit seiner Familie vor Kriegen in der Heimat flüchtete. "An der Lacombletstraße müssen alle zusammen auf einem Zimmer wohnen." Seine Religion würde aber bereits verbieten, wenn ein Vater vor seiner Tochter ein T-Shirt wechselt. Der Mann hat Angst, alle Privatsphäre zu verlieren.
Pressekonferenz zeitgleich
Das wollte Stay den Journalisten auf einer Pressekonferenz am Mittwoch um 13 Uhr erklären. Einige Zeitungen fragten bei der Stadt nach und bereits am Dienstag war zu lesen, dass Sozialamtschef Roland Buschhausen verärgert über die Veröffentlichung von Stay war. Am Nachmittag lud die Stadt ebenfalls zu einer Pressekonferenz ein: zur gleichen Zeit wie Stay, aber an die Lacombletstraße. "Das war eine reine Konkurrenzveranstaltung", findet Simone Froschauer, eine Sprecherin von Stay. Das sei reiner Zufall, versicherte Buschhausen. Und ein Pressesprecher der Stadt erklärte, die Einladung sei so kurzfristig gewesen, weil die Stadt der Presse das Gebäude zeigen wollte, aber nicht wusste, wann es etwas zu sehen gab. Viel gab es allerdings auch am Mittwoch nicht zu sehen. Die Matratzen und Spinde in den Räumen für insgesamt 170 Asylbewerber waren noch verpackt. Die Betten standen auf den drei Etagen, in denen die Menschen untergebracht werden, noch hochkant.
Verbot, Häuser zu betreten
In ihrer Presseeinladung schrieb die Stadt außerdem, "dass mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der dort wohnenden Menschen nicht gestattet werden kann, die Unterkunft am Hasseler Richtweg zu betreten und dort insbesondere Film- oder Fotoaufnahmen zu machen." Dies sei als Verbot zu verstehen, sagte Peter Lorch vom Sozialamt. Erst wenn Journalisten bei der Stadt nachfragen, ob sie mit bestimmten Flüchtlingen im Haus reden dürfen, wäre das möglich. Der Stadt gehören die Häuser in Eller. Weil sie das Hausrecht hat, kann sie den Zugang tatsächlich verbieten, erklärte eine Juristin für Medienrecht.
Vor Ort sah das anders aus. Journalisten waren nicht nur zur Pressekonferenz an der Lacombletstraße gefahren, sondern auch nach Eller. Dort war seit dem Morgen das Ordnungsamt der Stadt postiert. "Das schickte viele Journalisten wieder weg", sagte Froschauer von Stay. Das sieht sie als Sabotage der Pressearbeit von Stay. Andere Journalisten blieben und durften später einige Häuser betreten.
Nicht alle Flüchtlinge wollten mit der Presse sprechen. "Einige haben Angst", sagte ein Anwohner. "Andere haben Mut, zu kritisieren. Ich habe zuhause für Demokratie gekämpft und mache das auch hier." Die Journalisten seien aber alle nett gewesen und auch von Stay habe ihn keiner unter Druck gesetzt: "Natürlich nicht, die wollen uns ja helfen."
Nachbarn helfen
Stay will helfen, indem die Initiative die Situation der Flüchtlinge öffentlich macht und Forderungen stellt: "Wir möchten, dass die Menschen hier in Eller wohnen bleiben dürfen", sagt Froschauer. "Auch Obdachlose sollen eine gute Unterkunft haben. Dafür hätte die Stadt aber viel früher sorgen müssen. Es darf jetzt nicht sein, dass eine Randgruppe die andere verdrängt."
Die Familien sollen dort wohnen bleiben, weil in Eller die Integration gut geklappt hat. Das sagt auch Buschhausen vom Sozialamt. Die Menschen leben teilweise bereits ein bis zwei Jahre am Hasseler Richtweg. Die Kinder gehen in der Nähe zur Schule und besuchen einen Jugendtreff. Weil sie dort neben deutschen Nachbarn wohnen, können viele mittlerweile gut Deutsch sprechen. Zumindest vom nachbarschaftlichen Engagement geht Lorch vom Sozialamt auch an der Lacombletstraße aus. "Anwohner haben uns schon vor Tagen angerufen und wollen Fernseher und Sofas spenden", sagt Lorch. Einer der Flüchtlinge bleibt trotzdem skeptisch: "In einer Sammelunterkunft haben wir nur Kontakt untereinander, wenig zu Deutschen", sagt er.
Kontrollen bei Stay
Die Unterstützung der Nachbarn ist bereits ab Donnerstag gefragt. Dann ziehen die ersten Familien ein. Sie kommen nicht aus anderen Stadtteilen, sondern sind neu in Deutschland. In den kommenden Tagen folgen Flüchtlinge aus Düsseldorf, die bislang in Hotels untergebracht waren. Die Anwohner vom Hasseler Richtweg sollen im Januar umziehen. Ursprünglich soll ihnen von der Stadt mitgeteilt worden sein, dass sie am Samstag aus ihren Häusern müssen.
Bis wann alle 170 Plätze in der ehemaligen Schule belegt sind, ist noch unklar, sagt die Stadt. Und auch für Stay ist unklar, wie es weitergeht. "Wir fühlen uns mittlerweile eingeschüchtert", sagt Froschauer. Sie ist Leiterin von Medinetz und versorgt Flüchtlinge ohne gültige Papiere medizinisch. Die Flüchtlinge haben zwar auch ohne Personalausweis oder Krankenversicherung das Recht auf einen Arzt. Viele, die illegal in Deutschland sind, trauen sich aber dort nicht hin, weil sie Angst haben, dass sie gemeldet und abgeschoben werden. Sie kommen dann zu Medinetz. Seit fünf Jahren gibt es das Angebot. "Noch nie gab es bei uns Kontrollen", sagt sie. "Ausgerechnet heute Nachmittag standen Zivilpolizisten vor unserer Tür und haben die Papiere eines Mannes kontrolliert, der zu uns wollte." Der Mann hatte Papiere und konnte sich ausweisen.
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Veröffentlicht am
11. Dezember 2013
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