Das Theaterstück Kein Wort von uns feiert am Samstag, 11. Oktober, Premiere im Südbahnhof in Krefeld und richtet sich an alle ab 14 Jahren. Schauspieler Fabio Rio Stolp (25) steht dabei als einer von drei Darstellern auf der Bühne. Die Proben laufen derzeit in Düsseldorf – und dort haben wir ihn zum Gespräch getroffen. Im Interview gibt er Einblicke in die Widersprüche seiner Rolle Wilhelm, erzählt von seinem eigenen Weg in die Schauspielerei und verrät Tipps für junge Schauspielinteressierte.
youpod: Fabio, du spielst im Theaterstück Kein Wort von uns den Wilhelm. Worum geht es im Stück – und welche Bedeutung hat deine Figur darin?
Fabio: Kein Wort von uns erzählt von jungen Männern, die im Nationalsozialismus nach §175 verfolgt wurden – also wegen ihrer Sexualität kriminalisiert und gebrochen werden sollten. Wir stellen auf der Bühne ihre Gefühle, Konflikte und Beziehungen ins Zentrum.
Meine Figur Wilhelm ist dabei sehr ambivalent: Er ist Kaspars bester Freund, laut, witzig, voller Sprüche – aber auch eifersüchtig, möchte immer maskulin wirken und ist geprägt vom System der Zeit und dem Hass gegen schwule Männer, den er auch immer so direkt wieder ausspricht. Gerade diese Widersprüchlichkeit macht ihn so spannend: Er steht für das Spannungsfeld zwischen Freundschaft, Nähe und den zerstörerischen Kräften eines Systems, das Menschen gegeneinander aufbringt.
Ihr seid mitten in den Proben: Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Regie-Team, und wie entwickelt sich dabei die Dynamik zwischen euch Schauspielern?
Wir haben uns seit Tag 1, bei den Castings und ersten Treffen, schon sehr gut verstanden und teilen denselben Humor. Es brauchte da keine große Eingewöhnungsphase.
Ich finde, das ist tatsächlich oft so in der Branche, ich komme bisher mit allen immer so gut klar, ich glaube, das liegt einfach daran, dass man dieselbe Leidenschaft teilt. Dass wir ein so junges Team sind, mit einem jungen Regisseur, ist natürlich auch noch mal etwas Besonderes.
Bei den Proben haben wir wirklich einen sehr guten Mix aus Konzentration, Ernsthaftigkeit und Spaß hinbekommen. So wird auch immer wieder zusammen viel gelacht – und gerade bei Stoffen, die so ernste und schwere Themen behandeln, ist das als Ausgleich nicht unwichtig.
Was war für dich die größte Herausforderung an der Rolle – und was macht dir beim Spielen besonders Freude?
Erst mal die Zeit natürlich, in der es spielt. Am Anfang der Probenphase haben wir auch mit Historikerinnen zusammengearbeitet (die Recherche zur Rolle davor liebe ich – und dann auch noch mit Unterstützung von Historikerinnen…). Wir durften viele Fragen stellen und haben von einzelnen Schicksalen gehört.
Sich da reinzuversetzen, das ist schon recht krass. Vor allem kommt dazu, dass ich ehrlicherweise nicht viel über die Verfolgung queerer Menschen im Nationalsozialismus wusste. In unserer Schule wurde es nicht groß thematisiert, da kam noch mal viel Neues und Schlimmes dazu.
Gleichzeitig ist meine Figur Wilhelm jemand, der mit dem System aus dem Stück am meisten sympathisiert und sich damit auch identifiziert. Dafür musste ich einen Zugang finden – das war wahrscheinlich die größte Herausforderung, aber auch die interessanteste Arbeit. Ich spiele sehr gerne den “Bösen”. Auch wenn ich Wilhelm hier nicht so bezeichnen würde.
Wie die Rolle Kaspar, mein bester Freund im Stück, einmal sagt: “Du erzählst viel, wenn der Tag lang ist.” Das ist das, was ich am Wilhelm mag. Er erzählt viel Unsinn, hat viele Sprüche auf Lager und macht eine nicht einfache Zeit im Lehrlingsheim dann doch wieder ein wenig humorvoller und einfacher.
Wilhelm ist ein junger Mann voller Widersprüche: laut, humorvoll, oft überheblich, aber innerlich verletzlich.
Das macht als Schauspieler unglaublich viel Spaß.
Du bist erst 25 Jahre alt und schon mitten in spannenden Produktionen. Wie bist du überhaupt zur Schauspielerei gekommen?
Eigentlich durch meine Tante. Dank ihr stand ich schon früh gemeinsam mit meinen Cousins auf der Bühne. Mit 8 Jahren müsste es das allererste Mal ziemlich genau gewesen sein.
Später kamen dann auch Film- und Fernsehproduktionen dazu. Ich habe es von Tag 1 geliebt, und ab da gab es in meiner Kindheit fast kein Jahr mehr ohne Theater, Film oder Schauspiel.
Gab es einen Moment, in dem du dachtest: “Wow, genau das will ich machen”?
Dann kamen nur noch ein paar magische Kinomomente dazu – und für mich war es beschlossen. Daraus wurde dann später eben auch der Wunsch, Schauspiel professionell zu lernen und zu studieren, was ich dann ja auch tat.
Für mich ist es generell das Geschichten erzählen, was ich liebe. Daran zu arbeiten. Das mag ich aus fast jeder Position und Rolle. Und Schauspiel gibt mir zusätzlich die Möglichkeit, verschiedene Leben zu leben – in verschiedenen Welten, Zeiten und mit verschiedenen Menschen.
Da dachte ich: Geil, das will ich mein Leben lang machen – jetzt ist alles möglich.
Ein besonderer Moment war meine erste größere Produktion vor der Kamera. Ihr müsst wissen: Als kleines Kind habe ich mir immer eine Schwester gewünscht, wollte immer mal wissen, wie das ist.
Und jetzt hatte ich da auf einmal eine in der Serienproduktion – und da taucht man ja dann wirklich in diese Geschichten ein. Für diese Zeit fühlt es sich alles so echt an.
Viele Jugendliche haben vielleicht schon mal Theater gespielt. Was würdest du ihnen raten, wenn sie mehr daraus machen wollen?
Traut euch, geht zu Jugendtheatergruppen, es gibt viele Programme, die Jugendliche unterstützen. Seid aktiv, wie bei allem – wartet nicht zu lang ab. Startet mit Castings. Da gibt es mittlerweile auch viele offene Castings im Internet.
Schauspiel wird mit der Zeit immer besser: man selbst wird besser, durch Handwerk, aber auch durch immer mehr persönliche Erfahrungen – und auch das Netzwerk wächst, je länger man dran bleibt. Mit jedem kleinen Projekt lernt man neue tolle Leute kennen, und oft entsteht dann irgendwann wieder etwas. Vielleicht nicht sofort – aber irgendwann.
Zum Schluss: Warum sollten Jugendliche unbedingt in Kein Wort von uns gehen?
Weil das Stück Geschichte erlebbar macht. Es wird spannend und auch lustig.
Man hat die Chance, in diese Welt und Zeit einzutauchen – und am Ende auch wieder daraus aufzutauchen.
Zur Person:
Fabio wurde 2000 in Herne geboren 2000. Er beendet 2025 sein Schauspielstudium an der Alanus Hochschule ausgezeichnet mit dem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Er stand bereits auf Bühnen wie dem Theater Bonn, dem Theater im Ballsaal und dem GOP Varieté-Theater Bonn. Neben Engagements in Film und Fernsehen für ARD, ZDF und Sat.1 – u. a. in WaPo Duisburg (ARD) sowie als durchgehende Rolle in mehreren Staffeln von Die Landarztpraxis (Sat.1) – entwickelte er als Abschlussprojekt sein eigenes Theaterstück Barrieren auf Tour, das auf mehreren Bonner Bühnen aufgeführt wurde.