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Stolperstein-Spaziergang in Gedenken an queere NS-Verfolgte

03.02.2025

Wilhelm Zitschka, Karl Carduck und Josef Herkenrath – drei Namen, drei Stolpersteine, drei bewegende Schicksale. Anlässlich des Holocaust-Gedenktags organisierte der Verein Queere Geschichte(n) Düsseldorf e. V. am Sonntag, 26. Januar  einen Stolpersteinspaziergang, um den queeren Opfern des NS-Regimes aus Düsseldorf zu gedenken.

Wilhelm Zitschka

Die Aktion startete auf dem Kay-und-Lore-Lorenz-Platz am Kom(m)ödchen. Dort liegt seit Oktober 2024 ein Stolperstein zum Gedenken an Wilhelm Zitschka. Als dieser 1941 im Alter von 60 Jahren erneut nach Paragraf 175 verurteilt wurde, drohte ihm die Deportation in ein Konzentrationslager. Um dem KZ, das für viele der sichere Weg in einen grausamen Tod bedeutete, zu entkommen, stimmte er einer Zwangskastration zu, damals geläufig unter dem Begriff "Entmannung". Wilhelm Zitschka überlebte den Eingriff, saß die darauffolgenden zwei Jahre in Gefangenschaft in Anrath und starb 1960, fünfzehn Jahre nach Ende der NS-Diktatur, wie viele andere homosexuelle Männer als verurteilter Verbrecher. Denn der Paragraph 175 wurde noch lange nach Kriegsende in seiner von den Nationalsozialist*innen verschärften Form im Strafgesetzbuch der BRD beibehalten und erst 1994 völlig aufgehoben.

Karl Carduck

Der nächste Stopp des Stolpersteinspaziergangs war die Steinstraße Ecke Berliner Allee, wo dank einer gemeinsamen Aktion der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und des queeren Jugendzentrums PULS seit 2019 ein Stolperstein an Karl Carduck erinnert. 1937 nahm die Gestapo den damals 23-Jährigen fest, nachdem er als Homosexueller denunziert wurde. Die Nationalsozialist*innen bezeichneten ihn als "Kopf eines homosexuellen Zirkels", weil in seiner Wohnung oft Männer ein und aus gingen – dabei handelte es sich vor allem seine engsten Freunde, die ebenfalls angeklagt wurden. Karl Carduck erhielt die härteste Strafe, man brachte ihn ins Strafgefangenlager Neu-Sustrum, in dem deutschlandweit die meisten Homosexuellen inhaftiert waren. 1940 wurde er in den Kriegsdienst einberufen und fiel 1942 an der Front in Russland.

Josef Herkenrath

Zuletzt besuchten die Teilnehmenden des Spaziergangs den bereits 2004 verlegten Stolperstein von Josef Herkenrath an der Paulusstraße 15. Das Besondere? Sein Großneffe begleitete die Gruppe. Da dieser selbst zu jung war, um sich umfassend an seinen Großonkel zu erinnern, machte auch er sich an die Recherchearbeit – gar nicht so einfach, denn zu vielen der Verfolgten nach Paragraf 175 sind kaum persönliche Informationen zu finden. Oft hatten Angehörige nur wenig oder überhaupt keinen Kontakt zu ihren queeren Familienmitgliedern. Eine alte Postkarte ist das einzige sehr persönliche Überbleibsel, das an Josef Herkenrath erinnert. Nach mehrmaliger Haft aus politischen Gründen und auf Basis des Paragrafen 175 überführten die Nationalsozialist*innen Josef Herkenrath schließlich ins KZ Börgermoor, wo er 1942 im Alter von 42 Jahren verstarb.

Stolpersteine für queere Menschen

Insgesamt 402 Stolpersteine sind aktuell in Düsseldorf verlegt, sieben davon für homosexuelle Männer. Warum nur so wenige, wenn es doch allein in Düsseldorf hunderte Verhaftungen nach Paragraf 175 gab? Historisch ist es oft schwer einzuordnen, ob eine Person wirklich queer war. Die einzigen Ansatzpunkte sind häufig nur die Gestapo-Akten aus der NS-Zeit, erklärt Historikerin Astrid Hirsch-von Borris von der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. Sie ist daher sehr vorsichtig mit der Einstufung und betreibt ausführliche Recherchen, bevor sie einen Stein für homosexuelle Männer verlegt.

Doch wie sieht es eigentlich mit den Frauen aus? Queere Frauen fielen nicht unter Paragraf 175 und wurden somit nicht offiziell strafrechtlich verfolgt. In Konzentrationslagern mussten sie häufig den schwarzen Winkel tragen, der sie als "Asoziale" kennzeichnete. Es gibt Spekulationen darüber, dass auch einige queere Frauen Opfer der NS-Patientenmorde wurden, doch wie so vieles lässt sich auch dies nicht eindeutig belegen, sodass für diese Opfergruppe bislang kein Stolperstein in Düsseldorf liegt. Für die gesamte queere Szene der damaligen Zeit gilt: An zahlreiche Menschen wurde nie erinnert, ihre Geschichten nie erzählt, und selbst nach Kriegsende durften viele nicht in Freiheit leben.

Wie geht es weiter? – Ein Ausblick

Der Stolpersteinspaziergang reiht sich in eine Reihe weiterer Aktionen und Projekte in Düsseldorf ein, die queere Themen in den Fokus rücken. Darunter beispielsweise ein Podiumsgespräch über und mit mehreren queeren Generationen am 19. Februar in der Zentralbibliothek, die szenische Lesung Nach dem Rosa Winkel am 21. und 22. Februar im Theatermuseum und auch die Düsseldorfer CSD-Demonstration am Tag vor der Bundestagswahl.

In Zeiten, in denen politisch viel auf dem Spiel steht und queerfeindliche Stimmen wieder lauter werden, wird umso deutlicher, wie wichtig es ist, an die Verfolgung in der Vergangenheit zu erinnern und zugleich für die Rechte, Freiheiten und Selbstbestimmung queerer Menschen heute und morgen einzutreten.

von Ari

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