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"Nach dem Rosa Winkel" – Queere Geschichte auf der Bühne: Ein Theaterworkshop klagt an und gibt Stimmen Raum

17.03.2025

Seit Jahrzehnten kämpfen queere Menschen weltweit unermüdlich für ihre Rechte und Freiheiten. Staat, Justiz und Gesetzgebung legten und legen ihnen oft aktiv Steine in den Weg. In Deutschland blicken wir heute auf eine lange Geschichte der Verfolgung queerer Menschen zurück, die nach 1945 noch längst kein Ende nahm.

Queerfeindliche Strukturen aus dem Nationalsozialismus, die konservative Politik Konrad Adenauers und Kriminalisierung, insbesondere durch Paragraph 175, prägten das Leben queerer Menschen in der Nachkriegszeit. In der Abschlusspräsentation des Intensiv-Theaterworkshops "Nach dem Rosa Winkel" klagten die Teilnehmer*innen angesichts dieser Ungerechtigkeiten unter anderem die Bundesrepublik Deutschland an. Im Interview mit youpod teilen vier von ihnen ihre Erfahrungen und Highlights aus der kurzen, aber intensiven Probenphase und den beiden szenischen Lesungen im Theatermuseum Düsseldorf.


Was hat euch an der thematischen Auseinandersetzung mit der Verfolgung queerer Menschen nach 1945 am meisten bewegt?

Sam: Die persönlichen Geschichten und Schicksale. Es ist manchmal etwas schwierig, sich anhand von Fakten und Zahlen vorzustellen, dass hinter jeder ein Mensch steckt.

Johanna: Ich fand es sehr bewegend, dass man schon für „verliebte“ Blicke für Paragraph 175 festgenommen werden konnte. Das war mir vorher nicht bewusst.

Alex: Die handfeste Tatsache, dass sowohl die Alliierten als auch die Bundesrepublik die Wahl hatten, wie sie mit Paragraph 175 umgehen, und sich klar für ein Nazigesetz entschieden haben.


Die historischen Einblicke erhielten die Teilnehmenden in einer intensiven Recherchephase. Sie sichteten Videos von Zeitzeug*innen, durchforsteten Literatur und kamen ins Gespräch, sowohl miteinander als auch mit der Historikerin Astrid Hirsch-von Borries von der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, die auch die Abschlusspräsentationen thematisch einleitete. Doch auch die kreative Arbeit spielte eine zentrale Rolle im Workshop. Beim Schreiben mit Autorin Simone Saftig, in szenischen Miniaturen, die sie mit Regisseur Marvin Wittiber erarbeiteten, und in einem Musikworkshop mit Musikerin Marion Sherwood konnten die Teilnehmer*innen ihre Eindrücke künstlerisch verarbeiten.


Was war euer Highlight des Intensiv-Theaterworkshops?

Sam: Natürlich am Ende die Aufführung. Ansonsten; neue Menschen kennenzulernen und alte wiederzusehen. Und dass wir als Gruppe zusammengewachsen sind.

Matheo: Ich fand die Gruppendynamik, die sich innerhalb der wenigen Tage entwickelt hat, schon krass wholesome, und das Gefühl, alle gemeinsam auf der Bühne zu stehen, war echt schön.

Alex: Die Premiere. Der erste ununterbrochene Durchlauf, direkt mit Licht und vor allem die Publikumsatmosphäre. Das alles auf einmal war echt ein eindrucksvolles Gefühl.

Johanna: Ich habe ja bedauerlicherweise nicht alles mitbekommen, aber von den Dingen, bei denen ich dabei war, mochte ich das freie Schreiben am meisten.


Wie schon beim ersten Intensiv-Theaterworkshop der Rosa-Winkel-Trilogie leitete die Literaturwissenschaftlerin und Autorin Simone Saftig einen Schreibworkshop. Dort konnten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ihre Gedanken zum Thema in eigene Texte fließen lassen und denjenigen eine Stimme geben, die nicht laut sein konnten und können.


Wie habt ihr den Schreibworkshop empfunden? Fiel es euch leicht, teils auch sehr persönliche Texte zu schreiben?

Matheo: Der Workshop hat auf jeden Fall geholfen, mehr in den Flow zu kommen, und dann ist es bei mir automatisch sehr persönlich geworden, weil ich mich mit den Themen sehr gut identifizieren konnte.

Alex: Mir fiel es nicht leicht, wirklich persönliche Texte zu schreiben, aber die lockere Atmosphäre und zu hören, was andere teilweise so klar, offen und persönlich vorlesen, gar nicht mal unbedingt proklamierend sondern erzählend, ganz kontemporär aus ihrem Inneren, hat mir viel Mut bzw. Freude bereitet.


Mit teils sehr persönlichen Geschichten traten die Workshopteilnehmenden gleich zweimal vor Publikum – im Setting eines Gerichtssaals, das Bühnenbildnerin Saskia Holte gestaltete. Doch ging es nicht darum, in vorgefertigte Rollen zu schlüpfen. Vielmehr verbanden die jungen Menschen auf der Bühne historische Ereignisse und Fakten zu queerem Leben nach 1945 mit ihren eigenen Lebensrealitäten. So verschränkte sich Vergangenheit mit queeren Perspektiven aus der Generation Z, in der szenischen Lesung und auch im Nachgespräch im Anschluss an die Premiere. 


Was nehmt ihr aus dem Projekt für euch mit? Warum war es euch wichtig mitzumachen?

Johanna: Ich nehme ein wundervolles Wochenende mit ganz lieben Menschen, einen tollen Austausch über wichtige, leider oft vergessene Themen, und viele neu gelernte Dinge für mich mit. Wichtig mitzumachen war es mir, weil ich selbst queer bin und ich finde, dass unsere Vergangenheit leider oft ins Vergessene gerät.

Matheo: Mir war es wichtig, auf das Thema aufmerksam zu machen und auch selbst noch mehr darüber zu lernen. Ich war überrascht, wie viel sich auf die aktuelle Zeit übertragen lässt. Die positiven Beispiele von Menschen aus der damaligen Zeit zu sehen, die es trotz Schwierigkeiten geschafft haben glücklich zu werden, haben mir nochmal enorm Mut gemacht. Außerdem ist das Gefühl, dass man für andere Menschen eine Stimme sein kann, für mich sehr bestärkend.


Gemeinsam setzten die jungen Menschen mit der Abschlusspräsentation am 21. und 22. Februar, den beiden Abenden vor der diesjährigen Bundestagswahl, ein lautes Zeichen für queere Sichtbarkeit, Freiheiten und Rechte, trugen Forderungen weiter und erinnerten zugleich an jene aus der queeren Community, die ihr Leben lang Ungerechtigkeiten erfahren, aber auch gegen diese gekämpft und aufbegehrt haben – für sich selbst und die nachkommenden Generationen. 

von Ari

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