Podiumsgespräch - Nach dem Rosa Winkel: Queere Rechte auf dem Prüfstand
21.03.2025
Im Anschluss an die Abschlusspräsentation des Intensiv-Theaterworkshops "Nach dem Rosa Winkel" blieben die Türen des Theatermuseums Düsseldorf am Vorabend der Bundestagswahl noch länger geöffnet, denn das Publikum erwartete ein spannendes und aufschlussreiches queeres Podiumsgespräch.
Wie können wir angesichts der aktuellen politischen Lage die nächsten Jahre bestreiten? Wie steht es um queere, auch mehrfachmarginalisierte, Menschen und ihre Rechte in Deutschland? Und wie sieht das Angebot für Jugendliche aus der LSBTIQ*-Gemeinschaft aus? Über diese und viele weitere Fragen diskutierten auf dem Podium:
- Jana Hansjürgen, Leiterin der Landesfachstelle blick* zu LSBTIQ* Strukturen im ländlichen Raum
- Lilith Raza, Referentin für queere Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung, Aktivistin und Vorstandsmitglied des Queeren Netzwerks NRW
- Marcus Velke-Schmidt, Historiker und Vorsitz Centrum Schwule Geschichte Köln
- Marvin Wittiber, freier Autor und Regisseur, unter anderem von "Nach dem Rosa Winkel"
Im Wahlkampf, so hält es Marcus Velke-Schmidt fest, schienen queere Themen kaum zu interessieren. Oft fielen sie unter den Tisch oder wurden, wenn sie doch zur Sprache kamen, instrumentalisiert und gegen die LSBTIQ*-Gemeinschaft verwendet. Mit Blick auf die Wochen vor der Bundestagswahl und das zurückliegende Kanzlerduell überwiegt bei den Teilnehmer*innen der Runde vor allem Enttäuschung.
"Dass wir wieder über Basic-Sachen reden wie 'Wie viele Geschlechter gibt es?', und dass ich dann vor dem Fernseher sitze und abfilme, wie Olaf Scholz zu uns steht. Das ist die glorreichste Wirkung dieses Wahlkampfs? Über was reden wir denn hier? Wir wollen doch weitergehen, und jetzt diskutieren wir über das absolute Verständnisminimum, das doch wirklich jetzt mal breit da sein sollte, und wofür das Bundesverfassungsgericht auch gesprochen hat."
– Marvin Wittiber
Dem schließt sich Lilith Raza an. Sie kritisiert die derzeitige politische Entwicklung und fordert, dass Politiker*innen endlich Realpolitik für alle Menschen in Deutschland machen, statt Angst zu schüren und Migrant*innen die Schuld für gesellschaftliche Probleme zuzuschieben. Auch innerhalb der LSBTIQ*-Gemeinschaft befinden sich viele migrantische Menschen in einer prekären Situation, ihre intersektionalen Lebensrealitäten und Diskriminierungserfahrungen werden oft unsichtbar gemacht. Besonders zu queeren Geflüchteten fehle es an Aufklärung:
"Auf der Arbeit kläre ich die Leute, zusammen mit meinen Kolleg*innen, oft dazu auf, was die Rechte von LSBTIQ*-Menschen und was ihre Fluchtgründe sind, und wie sie in unserem gesetzlichen Rahmen sensibler mit LSBTIQ*-Menschen umgehen." – Lilith Raza
Gerade in Großstädten wie Düsseldorf gibt es vergleichsweise viele Unterstützungsangebote und Projekte, die sich speziell an queere Menschen, insbesondere auch Jugendliche richten, darunter der Jugendtreff PULS oder auch der Intensiv-Theaterworkshop "Nach dem Rosa Winkel".
Doch wie sieht die Situation in ländlicheren Regionen aus? Jana Hansjürgen berichtet davon, dass Strukturen zwar ausgebaut werden und es durchaus viele Positivbeispiele aus kleineren Orten gibt, es jedoch insgesamt an finanziellen Mitteln mangelt, um noch mehr gezielte Angebote für die queere Community zu schaffen. Jugendliche müssen oft in die nächstgrößere Stadt fahren, was sich mitunter als sehr schwierig erweist, da der öffentliche Nahverkehr auf dem Land häufig schlecht ausgebaut ist.
Auf die Frage, was sie sich für die queere Community in den kommenden, politisch vermutlich sehr schwierigen Jahren, wünsche, antwortet Jana Hansjürgen:
"Ich wünsche mir, dass wir jetzt sehr, sehr geschlossen in der Gesellschaft aufwachen. Dass wir wirklich für Demokratie einstehen und dass die Strukturen, die jetzt da sind, weiter ausgebaut werden, weiter gefördert werden."
Marvin Wittiber betont darüber hinaus, wie wichtig es für Menschen innerhalb und außerhalb der queeren Community ist, enger zusammenzurücken, einander aufmerksam zuzuhören und intersektionaler zu denken. Ein tiefergreifendes Verständnis füreinander schließe Markus Velke-Schmidt zufolge mit ein, dass die Gesellschaft insgesamt einen Gang herunterfährt:
"Diese ständige Aufregung und Empörung, das macht mich persönlich ganz fertig. Ich verspüre auch viel Unsicherheit und Angst vor der Zukunft. Das möchte ich einfach nicht mehr."
Zum Abschluss des Panels teilt Lilith Raza, die sich selbst als optimistische Pessimistin bezeichnet, noch einen Appell an junge Menschen, wählen zu gehen und sich politisch zu beteiligen:
"Ich habe sehr viel Hoffnung in unsere junge Generation in Deutschland. Und ich bin mir sicher, dass wir dieses Land auch zum Besten ändern werden."
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