Warum soll ich wählen gehen? Im Gespräch mit Jonas Israel
10.05.2017
Jonas Israel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Politikwissenschaft 2 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit politischer Bildung und der Wahl-O-Mat-Forschung. Wir haben ihn getroffen und nachgefragt, was Erstwähler über die Landtagswahl wissen sollten.
Wieso sollte ich denn wählen gehen?
Deutschland ist eine repräsentative Demokratie und die Wahl ist daher ein wichtiger Weg, um sich ins politische Geschehen einzubringen. Auf der Landesebene in NRW kann man einmal alle fünf Jahre aktiv dabei sein und es gibt nicht viele andere Möglichkeiten, sich so direkt einzubringen. Daher denke ich, dass die Wahlbeteiligung in einer repräsentativen Demokratie noch einmal wichtiger ist als zum Beispiel in Systemen, die mehr auf direkte Demokratie setzen.
Was für eine Rolle spielt der Landtag überhaupt für mich? Trifft die Bundesregierung in Berlin nicht viel wichtigere Entscheidungen?
Der Landtag spielt natürlich eine wichtige Rolle. Die Kompetenzen sind in der Gesetzgebung zwischen der Bundes-, der Landes- und einer gemeinsamen Ebene aufgeteilt. Auf der Landesebene gibt es bestimmte Themenbereiche, in denen die Länder einen sehr wichtigen Einfluss haben, wie zum Beispiel in der Bildungspolitik, aber auch in den Bereichen Wohnen oder Naturschutz. Der Landtag ist plastisch betrachtet näher an den Bürgern als der Bundestag und im Landtag werden die wichtigen Themen für NRW verhandelt. Daher würde ich es sogar eher umdrehen und sagen, dass der Landtag für die Bürger in NRW wichtiger ist als der Bundestag.
Was soll ich wählen, wenn ich den Trend zum Rechtspopulismus verhindern möchte, aber bisher keine der etablierten Parteien präferiere?
Ich gebe keine Empfehlung für eine Partei raus, aber es gibt 31 Parteien, die zur Landtagswahl antreten. In NRW ist die Parteienvielfalt sehr hoch. So gibt es jetzt eine Partei, die sich explizit an junge Menschen richtet, Integrationsparteien, Satire-Parteien und vieles mehr. Über diese Vielfalt muss man sich informieren und kann dann seine Wahlentscheidung treffen.
Wie verschaffe ich mir als Erstwähler am besten einen Überblick? Muss ich über alle Details der Parteien Bescheid wissen, oder soll ich mich auf ein Thema fokussieren, das mich interessiert?
Es gibt viele Möglichkeiten sich zu informieren. Ich würde jungen Wählern empfehlen, auf den Homepages der Parteien vorbeizuschauen. Mittlerweile gibt es von fast jeder Partei Social Media-Auftritte bei Facebook, Twitter und sogar Snapchat. Auch der Wahl-O-Mat dient vielen als Erstinformation. Aber man muss nicht über jede Partei alles wissen. Einige Parteien legen ein Programm von einigen hundert Seiten Umfang vor, da kann nicht erwartet werden, dass alle Informationen aufgenommen werden. Es ist sinnvoll sich themenspezifisch zu informieren und so einen Blick dafür zu erhalten, wofür die Parteien stehen.
Welche Möglichkeiten habe ich als unter 18-Jährige/r, um Politik mitzugestalten?
Politik gestalten muss nicht immer unbedingt mit Parteiarbeit verbunden sein. Soziale Organisationen bieten ganz unterschiedliche Facetten, wenn man sich zum Beispiel im Bereich der Integration, der Menschenrechte oder der Rechte für Homosexuelle engagieren möchte. Man kann auch über den Sport- oder Musikverein sozial aktiv werden, aber auch über institutionell verankerte Organe, wie Jugend- und Kinderbeiräte. Wenn man solche Aktivitäten betreibt, ist man auf einem guten Weg, sich aktiv in die Politik einzubringen.
Der Wahl-O-Mat ist eine beliebte Hilfe für unentschlossene Wähler. Wie sind Sie hier an der Uni am Wahl-O-Mat beteiligt?
Wir sind an der praktischen Erstellung und der Vor- und Nachbereitung des Tools beteiligt. Bei der Erarbeitung des Tools liegt der Fokus aber auf einer Jugendredaktion, die von politikinteressierten Schülern, Studenten und Auszubildenden gebildet wird, mit denen wir die Thesen gemeinsam entwickeln. Zudem betreiben wir auch Forschung zum Wahl-O-Mat, zum Beispiel durch eine Anschlussbefragung nach der Nutzung und begleiten das Tool somit wissenschaftlich. Außerdem stehen wir in Kontakt mit Kooperationspartner, im Fall des Wahl-O-Mat zur Landtagswahl in NRW mit der Landeszentrale für politische Bildung, mit der wir ein zusätzliches Forschungsprojekte durchführen.
Welchen Einfluss übt der Wahl-O-Mat auf das Wahlergebnis und die Nutzer aus?
Es ist ein gewisser mobilisierender Faktor beim Wahl-O-Mat feststellbar. Fünf- bis acht Prozent geben bei der Anschlussbefragung an, dass sie die Nutzung motiviert hat zur Wahl zu gehen, obwohl man es vorher nicht vorhatte. Das klingt zunächst niedrig, aber ein Großteil der Nutzer möchte bereits vor der Nutzung wählen gehen. Wenn wir zusätzlich jeden 20. Nutzer zur Wahl mobilisieren können, haben wir schon einiges erreicht. Zudem kommen die Nutzer über Politik ins Gespräch und tauschen sich über ihre Erfahrungen aus. Sie verbreiten ihr Wissen über Politik und das kann bewirken, dass wieder andere Wähler mobilisiert werden. Die Grundidee hinter dem Wahl-O-Mat bestand 2002 darin, Erstwähler zu erreichen. Angefangen als Tool für Jugendliche, sind wir mittlerweile angelangt bei einem Tool, das für die gesamte Gesellschaft interessant und relevant ist.
NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands. Wird das Ergebnis ein Wegweiser für die Bundestagswahl im September sein?
Erst mal würde ich sagen: Nein. Natürlich ist die Wahl in NRW wichtig und gibt eine gewisse Tendenz vor, aber ich glaube auf dieser Grundlage kann man nicht voraussagen, wie das Ergebnis auf Bundesebene ausfallen wird. Wir müssen trennen zwischen Landtagswahl und Bundestagswahl, da es klare Unterschiede im Wahlverhalten auf beiden Ebenen gibt. Zudem beeinflusst die Personalisierung den Wahlausgang. Die Landtagswahl ist auch eine Entscheidung zwischen Kraft und Laschet, so wie die Bundestagswahl eine Entscheidung zwischen Schulz und Merkel ist. Es kann unter Umständen sein, dass ein Wähler bei der Landtagswahl Laschet (CDU) und bei der Bundestagswahl Schulz (SPD) als geeigneter empfindet.
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