Schule in der Pandemie - Schüler*innen kritisieren Regierung
23.04.2020
Die Regierung lockert Corona-Regelungen: Die Läden öffnen, eine Mundbedeckung ist Pflicht, und die Schule geht für einige Jugendliche wieder los. Das Abitur und die Abschlussprüfungen sind wie geplant am 12. Mai gestartet. Das Ziel war es, schnellstmöglich alle anstehenden Abschlussprüfungen zu schreiben.
Ein Schritt in die falsche Richtung?
Dass in NRW die Abschlussprüfungen wie geplant stattfinden und der Schulbetrieb wieder aufgenommen wird, finden viele nicht gut. Kritik gibt es da von mehreren Seiten. Sie richtet sich vor allem an die Landesregierung und fordert mehr Mitspracherecht der Schüler*innen. Die Vorhaben von Ministerpräsident Armin Laschet sehen viele als unrealistisch und "unverantwortlich" an, wie es zum Beispiel der Jugendrat Düsseldorf ausdrückt. Jugendorganisationen zeigen aktuell auf ihren Social-Media-Kanälen großes Unverständnis. Nicht nur Schüler*innen, sondern auch immer mehr Eltern und Erwachsene ziehen da mit. Und das mittlerweile in ganz Deutschland. Mit dem Hashtag #SchulboykottDE wollen sie auf die Gesundheitsgefahren aufmerksam machen und die Politik zur Verantwortung ziehen.
Das fordern die Jugendlichen
Keine Abschlussprüfungen 2020, ein Durchschnittsabitur oder die eigene, freiwillige Entscheidung, Abschlussprüfungen zu schreiben oder nicht. Das sind die Hauptanliegen der Jugendlichen. Gründe sind unter anderem mangelnde Vorbereitung, psychischer Druck und fehlende Chancengleichheit. Das kommt daher, dass jede Schule die Situation anders handhabt. Die Voraussetzungen für eine gute Vorbereitung ist deshalb bei jedem anders. Während bei einigen Schulen beispielsweise der Online-Unterricht funktioniert, beklagen andere viele technische Mängel. Das beobachtet auch die Bezirksschüler*innenvertretung Düsseldorf (BSV). Wenn jede Schule die Prüfungen anders angeht, ist das ein tieferliegendes Problem. "Dies befördert die ohnehin starke Klassengesellschaft in unserem Schulsystem", sagt Luis Bienefeld von der BSV.
Außerdem ist das Infektionsrisiko weiterhin hoch. Da ist eine Schulöffnung nach Ansicht der Abiturient*innen ein Schritt in die falsche Richtung. Je mehr Menschen aufeinandertreffen, desto weniger Schutz existiert vor einer Infizierung. Deshalb fordern sie: Gesundheit geht vor!
Die Oberstufe des Gymnasiums am Stadtpark in Krefeld hat eine Petition gestartet und einen offenen Brief an Bildungsministerin Yvonne Gebauer und den Ministerpräsidenten Armin Laschet geschrieben. Die Petition ist mittlerweile von mehreren Tausend Schüler*innen unterschrieben worden. Darin fordern sie, selbst entscheiden zu können, ob sie das Abitur schreiben wollen oder nicht. Als Alternative schlagen auch sie ein Durchschnittsabitur vor. Da soll die Abschlussnote aus vorherigen Leistungen ermittelt werden. Doch eine Antwort - oder auch nur eine Reaktion - auf ihre Petition haben die Jugendlichen nie bekommen.
"Ich finde es schade, dass die Politiker uns Abiturienten nicht zuhören wollen und Entscheidungen treffen ohne auf die Bitten und Wünsche der Schüler einzugehen", sagt Demre Emiroğlu. Er ist einer der Abiturienten und wünscht sich, genau wie seine Mitschüler*innen, mehr Kommunikation mit den Politiker*innen: "Meiner Meinung nach ist das keine Demokratie, in der sich das Volk einbringen kann, sondern eine Demokratie in der Politiker ihren Kopf durchsetzen und andere Stimmen nicht beachten."
Ähnlich sieht es die BSV: "Die Landesregierung sollte zentral mehr auf die Sorgen der Schüler*innen hören und somit endlich die Sicherheit der Menschen über wirtschaftliche und politische Interessen stellen“, sagt Luis Bienefeld.
Demonstration trotz Corona
Das neue Schüler*innnenbündnis "Schulboykottnrw" hat vor der Staatskanzlei in Düsseldorf demonstriert. (Ausführlicher Bericht: "Schulen in NRW öffnen wieder - ist das Demokratie?") Dabei haben sie alle Demo-Maßnamen und Vorschriften der Corona-Pandemie (wie Mundschutz tragen, Abstand halten) eingehalten. Es waren immer höchstens 15 Leute vor Ort. Mit Mikrofon und Lautsprecher ausgestattet kritisierten sie die fehlende hygienische Ausstattung an Schulen. Den Schulstart sehen sie als eine undurchdachte politische Maßnahme an und fordern daher das Durchschnittsabitur.
Außerdem hat die Gruppe eine Liste von Namen vorgetragen. Alles Menschen aus Düsseldorf und Umgebung, die das Bündnis bei der Aktion unterstützen. Auf den Plakaten der Jugendlichen standen Aufrufe wie "Abi2020 geht über Leichen!" und "Ihr riskiert das Leben meiner Eltern!". Hier kommt auch klare Kritik an Armin Laschet durch. Mit dem Hashtag #ArminLassEs haben sie die Kundgebung live auf ihrem Instagram Account gestreamt und dabei auch von Bündnissen anderer Städte Lob bekommen.
So geht es jetzt weiter
Die Regierung hat die Forderungen zum Durchschnittsabitur abgelehnt. Das Land NRW sieht die Abiturprüfungen als notwendig an. Das heißt also, dass Abschlussklausuren auf jeden Fall geschrieben werden.
Der reguläre Unterricht soll schrittweise wieder stattfinden. Zuerst sollen die oberen Klassen und die letzten Grundschulklassen wieder in die Schule gehen. Die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen damit wieder eine "verantwortungsvolle Normalität" im Schulalltag. All das geht aber nur wenn die Zahl der Corona-Infizierten in Düsseldorf und in NRW weiterhin langsamer ansteigt.
Die Kultusministerkonferenz zeigt sich außerdem zuversichtlich, dass alle Hygienemaßnahmen und Vorschriften in den Schulen eingehalten werden können. Die Realität zeigt aber was anderes, findet Luis Bienefeld von der BSV und beobachtet eine "schlichtwege Überforderung" der Schulen: "Es gibt keine konkreten Vorgaben, außer die bekannten Maßnahmen. Diese sind im Raum Schule schwer bis gar nicht umzusetzen."
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